Nachruf Rose Dugdale: Die IRA-Queen
Rose Dugdales schillernder Lebensweg führte sie aus der englischen Oberschicht in den irischen Untergrund. Nun ist sie mit 83 Jahren gestorben.
Ihr Lebenslauf klingt wie das Drehbuch für einen Spielfilm. Und an diesem Freitag kommt der Film „Baltimore“, in dem Imogen Poots die Rolle von Dugdale spielt, in die Kinos. Es geht darin vor allem um den Überfall auf das Russborough House in der Grafschaft Wicklow südlich von Dublin im Jahr 1974.
Dabei stahl eine Einheit der Irisch-Republikanischen Armee (IRA) unter Führung von Dugdale 19 Meisterwerke von Goya, Velázquez, Vermeer, Rubens und anderen aus dem Besitz von Alfred Beit, einem ehemaligen südafrikanischen Bergbau-Erben. Damit wollte die IRA die Überstellung von vier hungerstreikenden IRA-Gefangenen aus England nach Nordirland erpressen. Es war einer der größten Kunstraube der Geschichte.
Kurz zuvor hatte Dugdale den ersten Hubschrauberanschlag der IRA auf ein nordirisches Polizeirevier verübt. Sie hatte sich als Journalistin ausgegeben und den Hubschrauber gemietet. Mit ihrem Komplizen Eddie Gallagher zwang sie den Piloten, mit Sprengstoff gefüllte Milchkannen einzusammeln, die dann auf das Polizeirevier abgeworfen wurden. Sie explodierten aber nicht.
Dugdale wurde gefasst und wegen des Anschlags und des Kunstraubs zu neun Jahren Gefängnis verurteilt. Im Gefängnis von Limerick brachte sie ihren Sohn Ruairí zur Welt. Gallagher, Ruairís Vater, entführte den niederländischen Industriellen Tiede Herrema und forderte Dugdales Freilassung. Die Polizei kam ihm jedoch auf die Spur. Nach einer 18-tägigen Belagerung des Verstecks gab Gallagher auf und wurde zu 20 Jahren Haft verurteilt. Dugdale wurde 1980 freigelassen und zog nach Dublin.
Knicks vor der Königin
Ihre Eltern hatten ursprünglich einen anderen Lebensweg für Dugdale vorgesehen. Sie war gar keine Irin, sondern wurde auf dem 600 Hektar großen Anwesen ihrer Familie in Devon geboren. Ihr Vater war Oberstleutnant Eric Dugdale, ein erfolgreicher Lloyds-Versicherer. Ihre Mutter Carol stammte aus einer wohlhabenden Familie aus Gloucestershire und war einst mit dem Bruder des Faschistenführers Oswald Mosley verheiratet, ließ sich aber wegen dessen Frauengeschichten scheiden.
1958 wurde Rose Dugdale, wie damals für junge Mädchen in der britischen Oberschicht üblich, der Queen als „Debütantin“ vorgestellt. Danach studierte sie in Oxford, wurde Wirtschaftsberaterin der Regierung für Entwicklungsländer und promovierte am Londoner Bedford College in London, wo sie Wirtschaft lehrte.
1971 verließ sie die akademische Welt und verschenkte ihr geerbtes Vermögen an die Armen. Nach dem „Bloody Sunday“ im Januar 1972, als britische Fallschirmjäger im nordirischen Derry 14 Bürgerrechtsdemonstranten ermordeten, begann ihr Weg in die Illegalität. Sie besuchte ein Ausbildungslager der IRA und beschaffte Waffen für die Organisation.
Ihr Leben war voriges Jahr Gegenstand einer Fernsehdokumentation mit dem Titel „Die Erbin und der Raub“. Der Überfall auf das Russborough House 1974 war aber nicht Dugdales erster Kunstraub. Ein Jahr zuvor war sie mit professionellen Einbrechern in das Haus ihrer Eltern eingebrochen und hatte Bilder und Antiquitäten im Wert von 80.000 Pfund erbeutet, um Geld für revolutionäre Zwecke zu sammeln.
Sie wurde dafür zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe verurteilt. Der Richter hielt es für unwahrscheinlich, dass sie erneut straffällig würde. Welch ein Irrtum.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen