Nachwahlen im Vereinigten Königreich: Keir Starmer weiter auf Siegkurs
In zwei Nachwahlen konnte sich Labour am Donnerstag behaupten. Ein Erfolg für die linke Partei.
Dieses Mal wählten Welligboroughs konservative Kandidatin Helen Harrison lediglich 24,6 Prozent. Die unabhängige Kandidatin Marion Turner-Hawes wählten nur 1.115 Wähler:innen, das entspricht 3,7 Prozent der Stimmen. Labour konnte in Wellingborough seit 19 Jahren nicht mehr gewinnen.
Und auch im westenglischen Wahlkreis Kingswood, in der Nähe von Bristol, wo am Donnerstag ebenfalls für das Parlament nachgewählt wurde, nachdem der konservative Abgeordnete Chris Skidmore aus Protest zur konservativen Klimapolitik zurückgetreten war, konnte Labour zum ersten Mal seit 2010 triumphieren. Labours Kandidat Damien Egan, einst Bürgermeister im Südlondoner Bezirk Lewisham, gewann mit 11.176 Stimmen, die 44,9 Prozent entsprechen, und feierte seinen Sieg als Erstes mit einem Kuss und einer Umarmung seines Ehemanns.
2019 stand Labour hier mit 33,4 Prozent noch hinter den Tories, die 56,2 Prozent der Stimmen erzielten. Die Tories erreichten diesmal nur 34,9 Prozent. Da der Wahlkreis zu den bevorstehenden Nationalwahlen aufgrund Veränderungen der Wahlkreise abgeschafft wird, muss Egan dann im Wahlkreis Bristol North-East kandidieren.
Labour siegt trotz Krise
Seit Juni letzten Jahres hat Labour nun ganze sechs parlamentarische Nachwahlen gewonnen und die Nachwahl in Boris Johnsons ehemaligen Wahlkreis Uxbridge and West Rusilip nur knapp verloren. Ein weiterer Wahlkreis, Somerset and Frome, wechselte von den Konservativen an die Liberaldemokrat:innen.
Labour erzielte ihre Wahlsiege trotz der aktuellen Parteikrise. Obwohl sich der Labour-Kandidat in Rochdale – dort wird am 29. Februar nachgewählt – antisemitisch geäußert hatte, ließ die Partei nur zögerlich von ihm ab. In Kingswood spielte das Thema aber keine Rolle. Damien Egan ist zum Glauben seines Ehemanns konvertiert und selbst Jude.
Mit Blick auf die Ergebnisse schätzte bei der BBC der renommierte britische Wahlexperte Professor Sir John Curtice, der Labour-Vorsitzende Keir Starmer sei auf Kurs, der nächste Premierminister des Vereinigten Königreichs zu werden. Starmer selbst lobte den Erfolg seiner Partei als fantastisch. Das zeige, dass Menschen eine Veränderung sehen wollten und dafür einer veränderten Labourpartei ihr Vertrauen schenkten.
„Konservative Familie“ muss sich wieder vereinen
Auch für die rechte Reform-UK-Partei war die Wahl ein Erfolg, sie etablierte sich. In Wellingborough erzielte sie mit 13 Prozent der Stimmen für Ben Habib das drittbeste Ergebnis und ihr bisher bestes Nachwahlergebnis.
Ben Habib, der Co-Parteiführer der Reform-UK ist, bezeichnete Reform UK nach dem Ergebnis als die „wahre“ konservative Partei. Auch in Kingswood wurde die einst von Nigel Farage und Geschäftsmann Richard Tice gegründete Partei drittstärkste Kraft, mit zehn Prozent der Stimmen. Während Nigel Farage sagte, Reform UK sei nun eine erwachsene Partei, betonte Tice, es sei nicht seine Aufgabe, die konservative Partei aufzupoppen, sondern eigene Programme vorzuschlagen.
Der konservative Tory-Abgeordnete Jacob Rees-Mogg schlug stattdessen vor, dass sich „die konservative Familie“ wieder vereinen solle. Der Parteivorsitzende der Tories, Richard Holden, sprach von einem enttäuschenden Ergebnis in beiden Nachwahlen für seine Partei. Die Ergebnisse werden Premierminister Rishi Sunak weiter unter Druck setzen.
Labour-Chef Keir Starmer führte das schlechte Abschneiden der Tories auf die wirtschaftliche Rezession zurück. Die zeige, dass Premierminister Sunak versagt habe. Dabei bezog er sich auf die neuesten Angaben des britischen statistischen Amtes, laut derer die britische Wirtschaft zwischen Oktober und Dezember um 0,3 Prozent stagnierte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen