Städtebau am Berliner Molkenmarkt: Mehr Stuck kostet halt mehr Miete

Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt hat ein „Gestaltungshandbuch“ zum Molkenmarkt ausgeschrieben. Von bezahlbaren Mieten ist darin keine Rede mehr.

Postkarte mit dem Motiv einer Straßenszene in einer nachkolorierten Schwarz-Weiß-Fotografie, Aufschrift: „Gruss aus Berlin; Molkenmarkt und Spandauerstrasse“

Früher war alles schöner. Der Molkenmarkt als Postkartenmotiv 1935 Foto: Archiv

BERLIN taz | Um dem Ziel einer historischen Bebauung am Molkenmarkt näherzukommen, hat Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt mal wieder in die Trickkiste gegriffen. Keinen Wettbewerb ließ sie diesmal platzen, vielmehr holte sie etwas aus der Kiste, was im Berliner Baugeschehen arg nach 19. Jahrhundert klingt – ein Gestaltungshandbuch.

Ein solches Handbuch soll, so will es Kahlfeldt, besondere Aufmerksamkeit auf Themen wie „Fassadengliederung“, „Fassadengestaltung“ oder „Dachnutzung und Dachform“ richten. Eine Ausschreibung für die Erstellung des Gestaltungshandbuchs hat der Senat am 15. Februar auf den Weg gebracht. Von der Schaffung von „bezahlbarem Wohnraum“ ist in der Ausschreibung keine Rede.

Dabei war der Bau von bezahlbaren Wohnungen Konsens, als CDU und SPD im April vergangenen Jahres ihren Koalitionsvertrag unterzeichnet haben. Darin heißt es: „Im neuen Quartier am Molkenmarkt streben wir die Errichtung von bezahlbarem Wohnraum, eine nachhaltige und gute Architektur, kleinteilige Strukturen und eine vielfältige Nutzung an.“ Dies, so heißt es weiter, werde man mit den landeseigenen Wohnungsunternehmen und gemeinwohlorientierten Bauherren realisieren.

Ausschreibung „nicht akzeptabel“

„Davon steht kein Wort im Ausschreibungstext“, kritisiert Matthias Grünzig von der Initiative Offene Mitte Berlin. „Die Ausschreibung steht deshalb im deutlichen Gegensatz zu den Vorgaben des Koalitionsvertrages und zu den Aussagen von Senator Gaebler, die dem bezahlbaren Wohnungsbau die oberste Priorität einräumen.“ In der angedachten Form sei die Ausschreibung „nicht akzeptabel“.

Noch im November hatte Bausenator Christian Gaebler (SPD) im Abgeordnetenhaus erklärt, dass „bezahlbares Wohnen“ am Molkenmarkt „im Vordergrund steht“. Auch die noch zu veranstaltenden Realisierungswettbewerbe müssten das unterstützen. Das allerdings bedeute nicht, so Gaebler weiter, „dass man durch Fassadengestaltung und Ähnliches nicht auch eine kleinteiligere Außenwirkung haben kann“. Damit plädierte der Senator dafür, dass die Gestaltungselemente „baulich umsetzbar“ seien, um kostengünstiges Wohnen realisieren zu können.

Davon rücke auch die Ausschreibung zum Gestaltungshandbuch nicht ab, betonte am Mittwoch Gaeblers Sprecher Martin Pallgen gegenüber der taz. „Der Senat hat im September 2023 den Rahmenplan Molkenmarkt beschlossen. Der ist die Richtschnur für unser Handeln und die weitere Entwicklung.“ Im Rahmenplan heißt es unter anderen, dass die Hälfte der Mietwohnungen „im mietpreisgedämpften Segment“ angeboten werden soll.

Matthias Grünzig dagegen verweist auf den steigenden Kostendruck. „Die aktuellen Baukostensteigerungen erfordern die Anwendung kostengünstiger Bauverfahren wie serielles Bauen und die Verwendung vorgefertigter Elemente“, schreibt er in einer Erklärung seiner Initiative. Das werde aber durch zu enge Gestaltungsvorgaben ausgebremst. Es bestünde deshalb die Gefahr, „dass das Projekt am Ende sehr teuer wird und bezahlbare Wohnungen auf diese Weise verhindert werden“.

Zumindest die Senatsbaudirektorin würde darüber nicht unglücklich sein. Als Mitglied der „Planungsgruppe Stadtkern“ hat sich Kahlfeldt dem Wiederaufbau der Berliner Altstadt verschrieben. Mit dabei ist auch der Stadthistoriker Benedikt Goebel. Der plädierte zuletzt für eine „Renaissance der Berliner Mitte durch die Reichen & Schönen“.

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