Präsidentschaftswahl in Indonesien: Verlierer wollen Ergebnis anfechten

Die beiden unterlegenen Präsidentschaftskandidaten sammeln Beweise, um gegen Wahlbetrug vor Gericht klagen zu können. Ein warnender Film kam zu spät.

Frauen protestieren in Jakarta gegen angeblichen Wahlbetrug - eine Frau erhebt die Faust - im Hintergrund Flaggen

Protest gegen den angeblichen Wahlbetrug vor dem Büro der General Election Supervisory Agency in Jakarta am 19. Februar 2024 Foto: Achmad Ibrahim/ap

BERLIN taz | Noch liegen die offiziellen Ergebnisse der Wahl vom 14. Februar in Indonesien nicht vor. Doch schon jetzt werden Zweifel angemeldet. Die Wahlkommission wird erst am 20. März das Ergebnis bekannt geben. Das Zählen braucht so lange, weil 205 Millionen Wahlberechtigte über den künftigen Präsidenten samt Vize und Abgeordnete dreier verschiedener Parlamente abstimmten. Bei so einem komplexen Votum in gut 822.000 Wahllokalen lassen sich manche Unregelmäßigkeiten kaum vermeiden. Rund 10.000 Fälle räumte die Wahlaufsichtsbehörde Bawaslu denn auch bereits ein.

Doch die als recht akkurat geltenden Schnellauszählungen privater Institute haben bereits wenige Stunden nach der Wahl den Ex-General Prabowo ­Subianto mit 58 Prozent der Stimmen als Sieger ausgemacht. Der trat mit seinem Vize Gibran Rakabuming Raka an, dem unter umstrittenen Umständen nominierten Sohn des scheidenden Präsidenten. Wegen des großen Vorsprungs von Prabowo-Gibran entfällt die Stichwahl.

Von Prabowo, dem Menschenrechtsverbrechen in der Suharto-Diktatur (1966–1998) vorgeworfen werden, wird befürchtet, dass er die Demokratie wieder einschränken könnte. Er und Gibran feierten schon am Wahl­abend ihren Sieg. Der im Oktober aus dem Amt scheidende Präsident Joko „Jokowi“ Widodo, der großes Eigeninteresse an ihrem Sieg hat und trotz präsidialem Neutralitätsgebot stark dazu beitrug, gratulierte ihnen auch schon.

Doch die Verlierer erkennen ihre Niederlage bisher nicht an. Es gibt viele Berichte über wahltaktisch missbrauchte Subventionen und Sozialhilfeauszahlungen, gefälschte Ergebnisse, Druck auf Beamte und Wähler, Stimmenkauf und gezielte Manipulationen – fast alles zugunsten Prabowos. Das Nachrichtenmagazin Tempo nennt in seiner jüngsten Ausgabe viele Beispiele. Doch Verantwortliche weisen Vorwürfe stets zurück.

Bisheriger Präsident intrigiert gegen Kandidat seiner Partei

Die Wahlbehörden sammeln Beschwerden, gegen das Ergebnis kann aber erst nach seiner offiziellen Bekanntgabe ab 20. März vor dem Verfassungsgericht geklagt werden. Dies kündigten beide unterlegenen Kandidaten, die Ex-Gouverneure Anies Baswedan und Ganjar Pranowo, bereits an.

Insbesondere gegen Ganjar, der in seiner Hochburg Zentraljava vorab als sicherer Sieger gehandelt wurde, hatte Präsident Jokowi regelrecht intrigiert. Dabei gehören Jokowi und Ganjar der gleichen Partei an, doch unterstützte Jokowi deren Kandidaten Ganjar nicht.

Der Präsident mobilisierte persönlich für Prabowo und setzte dafür nach Ansicht seiner Kritiker auch massiv staatliche Mittel ein. Von Prabowo und Gibran verspricht er sich mehr Einfluss auf die künftige Regierung. Laut Tempo ermöglichte vor allem Ganjars schlechtes Ergebnis Prabowos Sieg gleich im ersten Wahlgang.

Nur drei Tage davor hatte der investigative Filmemacher Dandhy Dwy Laksono auf viele neue Manipulationsmöglichkeiten aufmerksam gemacht. Sein zweistündiger Youtube-Film „Dirty Vote“ zeigt vor allem Vorträge dreier Rechtsexperten vor einem Bildschirm voll Grafiken und Tabellen.

Film zeigt „Potenzial für Wahlbetrug“

Der Film „enthüllt das Muster einer unfairen Wahl in Indonesien“, so Dandhy zur taz, und zeige das „Potenzial für Wahlbetrug“. Der Film wurde in nur zehn Tagen fast ohne Bezahlung produziert – an einem geheimgehaltenen Ort, um laut Dandhy konzentiert und sicher arbeiten zu können.

Der Film war noch nicht voll zugänglich, da sprach Prabowos Team schon von „Verleumdung“. Weil es zum Veröffentlichungstermin technische Probleme gab, denunzierte das Wahlkampfteam vor geladener Presse den Film, ohne mehr als die ersten 20 Minuten gesehen zu haben, berichtet Dandhy. „Sie machten eindeutig Werbung für den Film.“

Doch bald sei das Video über Google und Youtube nicht mehr auffindbar gewesen. „Privatpersonen luden es dann auf ihren Kanälen hoch und machten es wieder auffindbar“, sagt Dandhy.

Es folgten zwei Anzeigen gegen das Filmteam von Jokowi-Unterstützern bei der Polizei. Der Vorwurf: „Wahlmanipulation“. Bis zur Wahl bekam der Film 13 Millionen Klicks, inzwischen sind es mehr als 20 Millionen. Doch am Ausgang der Wahl änderte der Film offenbar nichts.

Der Film habe sogar nur 25 Prozent des Betrugs aufgedeckt, da er ja schon vor der Wahl produziert worden sei, sagte der Politiker Jusuf Kalla bei Kompas TV. Von 2014 bis 2019 war er Jokowis Vizepräsident, jetzt hatte er Anies unterstützt.

Zahnlose Wahlaufsicht

„Ich glaube nicht, dass die Wahlaufsichtsbehörde Bawaslu oder das Verfassungsgericht die Wahl kippen“, sagt Wahyu Dhyatmika, Digitalchef des Tempo-Magazins, zur taz. Bawaslu habe sich schon bisher als zahnlos erwiesen und das Verfassungsgericht habe ja überhaupt erst Gibrans Kandidatur durchgewunken, obwohl es diese eigene Entscheidung später als unethisch bezeichnete, aber dennoch beibehielt.

„Der Film kam zu spät, um Wähler auf dem Land zu erreichen. Aber er ist immerhin ein deutliches Zeichen der Zivilgesellschaft, dass sie nicht schweigt“, sagt Wahyu.

Mitarbeit: Yvonne Kunz, Michael Schnitzius

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