VW prüft Geschäft in Xinjiang

Neue Vorwürfe von Menschenrechtsverletzungen bei chinesischen Partnern bringen den deutschen Autobauer unter Druck

Demonstration während der Haupt­versammlung von Volks­wagen in Berlin im Mai 2023 Foto: Stefan Boness

Von Leila van Rinsum

Der deutsche Autokonzern VW will seine Tätigkeit in der chinesischen Provinz Xinjiang auf den Prüfstand stellen. Nach Vorwürfen der Menschenrechtsverletzungen erklärte der Konzern am Mittwoch, er prüfe mit seinem Joint-Venture-Partner SAIC die künftige Ausrichtung seiner Geschäftsaktivitäten. „Bisher lagen uns keine Hinweise auf Menschenrechtsverletzung vor“, so VW. Das Handelsblatt hatte am Mittwoch über Hinweise berichtet, dass beim Bau einer Teststrecke von VW in der chinesischen Region Xinjiang Angehörige der Minderheit der Uiguren als Zwangs­ar­bei­te­r*in­nen eingesetzt worden seien.

Nach „Tipps von VW-Mitarbeitern“, bat das Medium den Soziologen Adrian Zenz, den Fall zu untersuchen. Der für seine Forschung zur Menschenrechtslage der Uiguren bekannte Wissenschaftler durchforstete dafür das chinesische Internet.

Und wurde fündig. Zwischen 2015 und 2019 wurde in Turpan in der Region Xinjiang ein VW-Testgelände für Fahrzeuge gebaut und zusammen mit dem VW-Partner und Staatskonzern SAIC eröffnet. Gebaut wurde die Teststrecke von der China Railway Engineering Corporation (CREC).

„In den Berichten des CREC und des Xinjiang Test Track Project heißt es offen, dass das Xinjiang Test Track Project während des Höhepunkts der Masseninternierungen in den Jahren 2017 und 2018 transferierte uigurische Überschussarbeiter beschäftigte“, schreibt Zenz auf der Online-Plattform X. Dazu veröffentlicht er ein Foto. Darauf sieht man uigurische Ar­bei­te­r*in­nen in militärischen Uniformen. Einige haben rote Blumen in der Hand, „ein typisches Merkmal der Zwangsversetzungen“, schreibt Zenz. In der Bildunterschrift stehe: „Das SAIC Volkswagen und CREC 4th Bureau Xinjiang Test Track Project rekrutiert gemeinsam uigurische und andere ethnische Minderheiten als Arbeitskräfte für das Projekt.“

Weil unabhängige Untersuchungen in der Region Xinjiang von der chinesischen Regierung untersagt werden, ist die Beweislage zu Masseninternierung und Zwangsarbeit von Uiguren insgesamt dünn. „Das erste Mal gibt es einen direkten Beleg, dass es Zwangsarbeit beim Bau der Teststrecke des Joint Ventures VW/SAIC gab. Bis jetzt galten die Vorwürfe vor allem den Lieferketten“, sagt Hanno Schedler, Referent für Genozid-Prävention bei der Gesellschaft für bedrohte Völker.

Der Druck auf VW wird also stärker: Einige Politiker und Menschenrechtler fordern seit Jahren den Rückzug des Autokonzerns aus der Region Xinjiang. Jetzt sind auch Investoren alarmiert. „Die heutigen Vorwürfe haben eine neue Dimension“, erklärte Nachhaltigkeitschef Janne Werning von Union Investment. „Damit kommt Volkswagen für unsere nachhaltigen Publikumsfonds jetzt nicht mehr infrage.“ Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) nannte die Berichterstattung „besorgniserregend“. Das Bundesland ist mit 20 Prozent an VW beteiligt.

Der frühere Volkswagen-Chef Martin Winterkorn hat vor Gericht die Verantwortung für den Dieselskandal beim Autobauer von sich gewiesen. „Ich halte diese Vorwürfe für unzutreffend“, sagte der 76-Jährige am Mittwoch als Zeuge vor dem Oberlandesgericht Braunschweig.

In dem Verfahren ringen Anleger um Schadenersatz, weil sie nach dem Auffliegen des Skandals Kursverluste erlitten - es geht um rund 4,4 Milliarden Euro. „Sehr spät“ und „zunächst nur unvollständig“ will Winterkorn von Problemen erfahren haben. (dpa)

Der Autokonzern steht seit Jahren in der Kritik wegen seiner Geschäftsbeziehungen in Xinjiang. Zuletzt stand das Werk Urumqui im Vordergrund, das VW mit dem Partner SAIC betreibt. Vergangenes Jahr hatte der Konzern ein Gutachten vorgelegt, das keine Hinweise auf Zwangsarbeit und Verstöße gegen Menschenrechte auswies. Menschenrechtler betonten aber, dass es unmöglich sei, ein unabhängiges Gutachten in der Region zu erstellen und selbst eine Reihe von Mita­rbe­i­te­r*in­nen der Rechtsanwaltskanzlei, die das Gutachten ausstellte, distanzierten sich kurz danach davon. Wie im Fall des Audits von Urumqi müsse auch eine Überprüfung des Testgeländes mit SAIC abgestimmt und von Behörden vor Ort genehmigt werden, erklärte VW am Mittwoch.

„Es gibt keine unabhängige Presse. Die chinesische Regierung lässt niemanden in die Xinjiang-Region oder der Aufenthalt ist orchestriert. Dass selbst eine UN-Hochkommissarin sich dort nicht frei bewegen kann, zeigt, dass es sehr schwer ist, an Informationen zur Lage der Uiguren zu kommen“, so Schedler.

„Die heutigen Vorwürfe haben eine neue Dimension“

Janne Werning, Union Investment

Die jüngsten Vorwürfe gegen VW kommen kurz nach Veröffentlichung von Recherchen von Spiegel und ZDF, die Hinweise auf Zwangsarbeit durch Uiguren bei zwei Partnerunternehmen vom Chemiekonzern BASF fanden. Auch diese Untersuchungen basieren auf Recherchen von Zenz. BASF gab daraufhin bekannt, sich von den beiden Joint Ventures Markor Chemical und Markor Meiou Chemical in Xinjiang zu trennen, stellte aber hohe CO2-Emissionen der Werke in den Vordergrund. (mit Reuters)

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