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Den Radikalisierungsmotor stoppen

Grünen Chef Omid Nouripor fordert ein Verbot der AfD-Jugendorganisation. Ampel und Union diskutieren über Einschränkung der AfD-Parteienfinanzierung

Aus Berlin Gareth Joswig

Wie radikal die Junge Alternative ist, haben vorletzte Samstagnacht wieder einige ihrer Mitglieder beim Feiern nach einem Parteitag im mittelfränkischen Greding in Bayern zur Schau gestellt. Eine Gruppe von bis zu 30 Personen grölte tanzend in einer Diskothek den stumpfen Neonazi-Slogan: „Deutschland den Deutschen! Ausländer raus!“ – also ­exakt jene Parole, die Neonazis 1993 bei den Pogromen von Rostock-Lichtenhagen riefen, während sie Brandsätze auf ein Wohnheim für vietnamesische Vertragsarbeiter warfen.

Mitten drin in der Gredinger Disko waren laut Recherchen des bayerischen Rundfunks Mitglieder der AfD, der Partei-Jugendorganisation Junge Alternative (JA) sowie zwei jüngere Landtagsabgeordnete: Benjamin Nolte war dabei wie auch der Bundesschatzmeister der JA, Franz Schmid, der die AfD als „Partei der autochthonen Deutschen“ bezeichnet – beide feierten Bildern zufolge ausgelassen.

Ein Video der Szene in der Gredinger Disko sorgte für Empörung, Kriminalpolizei und Staatsschutz Mittelfranken ermitteln zum Vorfall wegen Volksverhetzung. Vor dem Hintergrund solcher Szenen, aber auch der jüngsten Proteste Hunderttausender Menschen bundesweit für Demokratie und gegen die extrem rechte AfD werden Verbotsforderungen von Tag zu Tag lauter. Die Grünen haben nun zunächst ein Verbot der AfD-Jugendorganisation Junge Alternative (JA) gefordert. Der extrem rechte Parteinachwuchs ist als Verein organisiert. Ein Verbot könnte die Bundesinnenministerin aussprechen – das könnte deutlich schneller gehen als ein mehrjähriges Parteiverbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht, das hohe Hürden vorsieht.

Es war der Grünen-Chef Omid Nouripour, der am Sonntag ein mögliches Vereinsverbot für die JA ins Gespräch gebracht hat: „Im Kampf gegen Rechtsextreme darf der Rechtsstaat die Vorfeldorganisationen der AfD nicht aus dem Blick verlieren“, so Nouripour. Diese spielten eine entscheidende Rolle bei der Vernetzung und dem Erstarken von Hass und Hetze. Vereine wie die JA arbeiteten offen gegen die Demokratie und müssten verboten werden, forderte er. „Das wäre ein wirksamer Schlag des Rechtsstaats gegen extremistische Strukturen.“

Die Junge Alternative gilt als Radikalisierungsmotor der AfD: Wie bei anderen Parteien sind auch in der AfD-Jugendorganisation die Formulierungen nochmal deutlich schärfer als in der Mutterpartei, die ja ohnehin schon völkisch-nationalistisch dominiert ist. Die JA-Aktivist*innen ziehen sich häufig den Scheitel mit der Rasierklinge, sprechen verfassungsfeindliche und rassistische Forderungen ganz offen aus.

Ganz offen solidarisierte sich etwa der Bundestagsabgeordnete und Chef der JA, Hannes Gnauck, mit Martin Sellner und der rechtsextremen Identitären Bewegung nach dem durch eine Correctiv-Recherche bekannt gewordenen „Masterplan“ mit verfassungswidrigen Plänen zur Drangsalierung und Vertreibung von Deutschen, auch jenen mit Migrationshintergrund. JA-Chef Gnauck forderte: „Die Zeit von Dis­tanzeritis muss endlich vorbei sein.“ Rechtsextremist Björn Höcke hatte sich ähnlich wie Gnauck geäußert.

Bundesinnenministerin Nancy Faes­er (SPD) wollte sich bisher nicht öffentlich zur Forderung äußern, sagte aber, dass man Vereine verbieten könne, wenn alle Voraussetzungen dafür vorlägen. Zuvor hatte auch der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) in der SZein JA-Verbot gefordert. Möglich wäre ein Verbot aufgrund des Grundgesetzartikels 9, Absatz 2. Darin heißt es: „Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.“

Mittlerweile werden in der Ampel­regierung aber auch vermeintlich nie­drigschwelligere Maßnahmen diskutiert – etwa die Streichung von Parteienförderung. Johannes Fechner, Parlamentsgeschäftsführer der SPD nannte den Ausschluss von der Parteienfinanzierung „ein wichtiges Element des wehrhaften Staates, verfassungsfeindlichen Parteien staatliche Mittel deutlich zu kürzen“. Allerdings gibt es auch hier hohe Hürden, wie die Grüne Fraktionsgeschäftsführerin Irene Mihalic betont.

In der CDU sieht man das ebenfalls eher kritisch: Der Entzug staatlicher Mittel setze eine Einstufung als verfassungsfeindlich voraus, wie Thorsten Frei von der CDU geltend machte. Darüber streitet die AfD derzeit noch mit dem Verfassungsschutz vor Gericht. CSU-Chef Söder hingegen hält Kürzungen von staatlicher Förderung wiederum für umsetzbar und nannte das ausstehende Urteil zur Finanzierung der NPD eine mögliche „Blaupause“: Für Dienstag wird das Urteil des Bundesverfassungsgerichts erwartet, das über den 2019 gestellten Antrag entscheidet, die NPD von staatlicher Finanzierung auszuschließen.