„Prüft ein AfD-Verbotsverfahren!“
Die Diskussion um ein Verbotsverfahren gegen die AfD ist entbrannt. Würden sich 37 Abgeordnete zusammentun, könnten sie das Thema im Bundestag auf die Tagesordnung setzen. Die taz hat sich umgehört: Mehr Abgeordnete wollen ein solches Verfahren zumindest prüfen
![](/private/picture/5986396/246/1278838.jpg)
Aydan Özoğuz, SPD, HH: „Die AfD ist eine rassistische, menschenverachtende Partei. Daher befürworte ich die genaue Prüfung eines Verbotsverfahrens. Das ist bisher nicht hinreichend passiert. Das Instrument ist aus guten Gründen im Grundgesetz verankert. Ein Verbotsverfahren alleine wird aber nicht die Lösung sein.“
Von Konrad Litschko
und Sabine am Orde
Seitdem bekannt wurde, dass sich AfDler mit anderen Rechtsextremisten in einem Hotel nahe Potsdam getroffen haben, um Pläne einer massenhaften Vertreibung von Menschen mit Migrationshintergrund aus Deutschland zu diskutieren, ist die Frage wieder voll entbrannt: Wie bekämpft man die AfD am besten? Es wird demonstriert und die Frage nach einem Verbotsverfahren heftig debattiert. Ein solches Verfahren könnten der Bundestag, der Bundesrat und die Bundesregierung beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe auf den Weg bringen. Die Hürden für einen Erfolg von Parteiverbotsverfahrens aber sind hoch. Entsprechend groß ist die Sorge, das Ganze könnte danebengehen.
Drei Organe Ein Verbotsverfahren auf den Weg bringen können die drei Verfassungsorgane: Bundesregierung, Bundestag oder Bundesrat.
Der Antrag Über den Antrag entscheidet das Bundesverfassungsgericht, konkret der Zweite Senat. Erforderlich ist eine Zweidrittelmehrheit der acht Richter*innen. Die Prüfung würde vermutlich Jahre dauern. (taz)
Nun aber formieren sich im Bundestag Abgeordnete aller demokratischen Fraktionen, die zumindest prüfen wollen, wie groß die Erfolgsaussicht eines Verbotsantrags wäre. Und manche sind bereits entschieden, dass ein Weg nach Karlsruhe richtig wäre. Fünf Prozent der Bundestagsabgeordneten reichen aus, um das Thema im Bundestag auf die Tagesordnung zu setzen – das sind 37 Abgeordnete. Sie könnten beantragen, dass die Bundesregierung die Erfolgsaussichten eines Verbotsverfahrens prüfen soll. Oder dass der Bundestag einen Antrag auf Verbot beschließt. Sie müssten dann in einem zweiten Schritt die Mehrheit der Abgeordneten für ihr Anliegen gewinnen.
![](/private/picture/5986396/246/1278839.jpg)
Tim Wagner, FDP, TH: „Ich habe Sympathie für ein Verbot der AfD. Die Partei ist bei uns in Thüringen vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft. Wir alle merken, wie gefährlich sie ist. Jedoch muss dieses Verfahren auch Aussicht auf Erfolg haben.“
Die taz hat sich im Parlament umgehört: Die notwendige Zahl an Abgeordneten, um das Vorhaben anzuschieben, wäre beisammen. 49 Parlamentarier*innen sind der Ansicht, dass zumindest geprüft werden soll, ob ein Antrag auf ein AfD-Verbot wirklich aussichtsreich wäre. Bei SPD, Grünen und Linken ist diese Meinung verbreiteter als bei Union und FDP. Bei den Abgeordneten aus den ostdeutschen Bundesländern ist sie – anteilig betrachtet – häufiger zu finden als bei denen aus westdeutschen, bei Parlamentarier*innen aus Familien mit Migrationsgeschichte zahlreicher anzutreffen als bei denen ohne.
![](/private/picture/5986396/246/1278840.jpg)
Kassem Taher Saleh: Grüne, SN: „Die AfD ist in Sachsen als gesichert rechtsextrem eingestuft. Die Prüfung eines Verbotsverfahrens ist auch eine aktive Forderung der Mitte der Gesellschaft, die derzeit täglich demonstriert.“
Ob sie sich alle fraktionsübergreifend hinter einem gemeinsamen Antrag versammeln werden, ist aus vielen Gründen ungewiss. Der CDU-Abgeordnete Marco Wanderwitz aus Sachsen sucht seit Längerem Mitstreiter*innen für einen Antrag im Bundestag. Wie viele er bereits gefunden hat, will er noch nicht sagen.
![](/private/picture/5986396/246/1278841.jpg)
Susanne Hennig-Wellsow, Linke, TH: „Die AfD verletzt permanent das Gebot der Menschenwürde und damit einen Grundpfeiler unserer freiheitlichen-demokratischen Grundordnung. Der Staat hat die Pflicht, dagegen vorzugehen.“
![](/private/picture/5986396/246/1278842.jpg)
Stefan Seidler, SSW, SH: „Zu meinem nordischen Demokratieverständnis gehört, sich auch mit unliebsamen Positionen zu befassen. Aber Demokratie muss wehrhaft gegenüber ihren Gegnern sein. Für mich gehört eine AfD-Verbotsprüfung dazu.“
Käme es tatsächlich zu einem Verbotsantrag in Karlsruhe, bräuchte es am Ende eine Zweidrittelmehrheit des verantwortlichen Senats. Das Grundgesetz nennt die Voraussetzungen dafür, in Artikel 21 Absatz 2: „Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig.“
![](/private/picture/5986396/246/1278843.jpg)
Misbah Khan, Grüne, RP: „Die AfD ist längst Teil der organisierten rechtsextremen Szene. Sie verachtet unsere Demokratie, das Grundgesetz und Minderheiten. Es ist unsere Verantwortung, ein Verbotsverfahren sehr genau zu prüfen.“
Was das genau heißt, war lange unklar. Schließlich ist es schon sehr lange her, dass das Bundesverfassungsgericht eine Partei verboten hat: 1952 wurde die nationalsozialistisch orientierte Sozialistische Reichspartei (SRP) verboten, 1956 die Kommunistische Partei Deutschlands.
![](/private/picture/5986396/246/1278844.jpg)
Reem Alabali-Radovan, SPD, MV: „Menschen mit Einwanderungsgeschichte fürchten gerade um ihre Sicherheit. Dem dürfen wir nicht zusehen. Ein Parteiverbot kann ein wichtiger Bestandteil im Kampf gegen die Verfassungsfeinde der AfD sein.“
![](/private/picture/5986396/246/1278845.jpg)
Roderich Kiesewetter, CDU, BW: „Die Bundesregierung sollte ergebnisoffen ein Verbotsverfahren prüfen, zuvörderst aber müssen wir mit klarer Kommunikation und inhaltlichen Lösungen jene wieder überzeugen, die aus Frust AfD wählen.“
2003 und 2017 scheiterten dagegen zwei Verbotsverfahren gegen die rechtsextreme NPD, die sich heute „Die Heimat“ nennt. Beim ersten Mal an Verfahrensfehlern, beim zweiten Mal wurde der Partei zwar attestiert, dass sie verfassungsfeindliche Ziele vertrat – sie sei aber zu unbedeutend, um diese durchzusetzen.
![](/private/picture/5986396/246/1278846.jpg)
Martina Renner, Linke, TH: „Die AfD gehört verboten. Sie ist das organisatorische Zentrum der extremen Rechten, arbeitet auf eine Regierungsbeteiligung oder einen Umsturz hin, erfüllt auch ideologisch alle Verbotsvoraussetzungen.“
![](/private/picture/5986396/246/1278847.jpg)
Ralf Stegner, SPD, SH: „Mit den Erfahrungen aus unserer Geschichte sind wir verpflichtet zu prüfen, ob die Aktivitäten der AfD mit den Prinzipien unseres Grundgesetzes übereinstimmen. Unsere Demokratie darf nicht naiv und wehrlos sein.“ Fotos: Krostitz (2), Photothek (4) , BildFunk MV/imago, Michelle Kortz, Maurice Weiss, Stefan Kaminsiki (11) ,HMB-Media/imago, SPD, Funke/imago, Christine Fiedler, Popow/imago, Fionn Gross, Weisflog, Thomas Klaeber, Die Linke (6), DBT/Inga Haa, Kristin Döpel-Rab, Rainer Unkel, Thommy Mard, FDP, Fionn Grosse, Sascha Krautz, SSW, BMI Henning Schacht, W. Borrs, Max Neudert
Diesen Punkt könnte man bei der AfD kaum noch behaupten. Nachgewiesen werden müsste aber, dass die Partei gezielt die demokratische Grundordnung beseitigen will. Das AfD-Programm beweist das wohl nicht, entscheidender wären verfassungsfeindliche Äußerungen der Funktionär*innen und rechtsextreme Kontakte. Bereits heute führt das Bundesamt für Verfassungsschutz die AfD als rechtsextremen Verdachtsfall. Die Partei klagte zuletzt dagegen, im Februar will das Oberverwaltungsgericht Münster darüber entscheiden. Die AfD-Landesverbände in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt sind dagegen vom Verfassungsschutz bereits als erwiesen rechtsextrem eingestuft.
Die Bundesregierung hatte sich bisher ablehnend gegenüber einem AfD-Verbot geäußert. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) wollte zuletzt aber ein solches nicht mehr ausschließen. Vorher stehe aber die inhaltliche Auseinandersetzung. Auch Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) verwies aktuell im Stern auf die hohen Hürden für ein Verbot. Aber: „Sollte sicher nachgewiesen sein, dass eine Partei das Land in einen faschistischen Staat verwandeln will, gehört sie verboten, egal, wie stark sie ist.“ Stark werden könnte die AfD bei den Wahlen in diesem Jahr, bei Kommunalwahlen sowie den Wahlen zum Europaparlament und zu den Landtagen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg.