Faule Ausreden nach Nazi-Treffen

AfD-Chefin Brinker und ihre Distanzierungsversuche

Von Gareth Joswig

Um Ausreden ist Berlins AfD-Chefin Kristin Brinker nicht verlegen. Der Ausblick von der Dachterrasse sei doch so „großartig“ – und überhaupt sei sie ja direkt nach der Buchvorstellung gegangen und „geschockt“ gewesen über das Publikum, sagte Brinker. Ja, die Aussicht: Zuvor hatte der RBB darüber berichtet, dass auch die Landesvorsitzende bei einem privaten Treffen mit Neonazis auf Einladung des mittlerweile zur AfD abgedrifteten ehemaligen CDU-Finanzsenators Peter Kurth dabei war.

Ihre Ausrede dürfte wohl irgendwo zwischen „Der Hund hat meine Hausaufgaben gegessen“ und „Mein Wecker hat nicht geklingelt“ rangieren und macht die Funktion deutlich, die Brinker nach außen hin für die AfD erfüllt: Als Feigenblatt soll sie verdecken, was längst nicht mehr zu verstecken ist. Spätestens nach dem in Potsdam aufgeflogenen Geheimtreffen von AfD-Politikern mit Neonazis, bei dem Vertreibungsfantasien auch von Deutschen mit Migrationshintergrund diskutiert wurden, ist weiten Teilen der Öffentlichkeit bewusst geworden, wie radikalisiert die AfD mittlerweile ist.

Die völkische Strömung dominiert die Bundespartei, gerade Brinker hat die innerparteilichen Netzwerke der Völkisch-Nationalistischen eingebunden und genutzt, um ihre Macht als Landesvorsitzende zu konsolidieren. Praktisch passt auch kaum ein Feigenblatt zwischen die AfD und Rechtsextremisten, die völkische Reinheitsfantasien propagieren. Denn inhaltlich ist das verfassungsfeindliche ­Streben nach einem ethnisch-homogenen Staat die gemeinsame Klammer bei allen Differenzen auch innerhalb der AfD – entsprechend unglaubwürdig wirken dann auch Distanzierungsversuche wie die von Brinker.

Das zeigt auch die übrige Gästeliste des ehemaligen CDU-Finanzsenators Kurth: Nicht nur hatte dort der EU-Spitzenkandidat der AfD, Maximilian Krah, höchstselbst sein offen rechtsextremes Pamphlet „Politik von rechts“ vorgestellt, auch der Chef-Identitäre Martin Sellner redete über sein Buch „Regime Change von rechts“, das einen völkischen Systemwechsel propagiert. Beide Schriften erschienen nicht von ungefähr im Verlag des rechtsextremen Verlegers Götz Kubitschek und werden dort bewusst als Paket vermarktet.

War Brinker auch geschockt, als eben dieser Krah mit deutlicher Mehrheit zum EU-Spitzenkandidaten auf dem letzten Parteitag gewählt wurde? Und wie schön war wohl ihr Ausblick in der Mehrzweckhalle, als dort ihre Parteifreundin Irmhild Boßdorf „millionenfache Remigration und Pushbacks, egal was der Europäische Gerichtshof dazu sagt“, forderte?

Gar nicht erst den Versuch einer Distanzierung gibt es bei der AfD Brandenburg. Der Brandenburger Bundestagsabgeordnete René Springer schrieb nach den öffentlich gewordenen Vertreibungsplänen: „Das ist kein Geheimplan. Das ist ein Versprechen.“ Der Fraktionschef im Potsdamer Landtag, Christoph Berndt, bekräftigte Springers Äußerung. Auch sein Fraktionssprecher Tim Krause werde im Amt bleiben. Der war beim Geheimtreffen in Potsdam dabei. Parteichefin Alice Weidel hatte demgegenüber ihren Referenten als Bauern­opfer rausgeschmissen.