Kommentar von Gareth Joswig zum erstmaligen Sieg der AfD bei einer OB-Wahl
: Scheitern mit Ansage

Es war ein Versagen der demokratischen Kräfte mit Ansage. Die AfD hat von der CDU und den Freien Wählern ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk am dritten Advent bekommen. Weil die konservativen Kräfte es versäumten, im zweiten Wahlgang die Kräfte zu bündeln, und sich gegenseitig die Stimmenanteile wegnahmen, hat Tim Lochner für die AfD im sächsischen Pirna die erste Oberbürgermeisterwahl überhaupt gewonnen.

Die vor gut einer Woche vom Verfassungsschutz mit reichlich Verspätung als gesichert rechtsextrem eingestufte AfD Sachsen wird das vorweihnachtliche Geschenk gerne annehmen: Darin befindet sich die Rathausleitung für einen Tischlermeister, der vor Ort verschwörungsideologische Coronaproteste organisierte und auf Facebook mit gewaltbereiten Neonazis von den Freien Sachsen befreundet ist.

Kommunen und Lo­kal­po­li­ti­ke­r*in­nen müssen aus der Wahl lernen. Das Wahlergebnis hätte genau so anderswo passieren können. Die AfD ist in Sachsen flächendeckend so stark wie in Pirna, teilweise auch stärker. Das zeigt, wie normalisiert die Partei lokal bereits ist – sie kann davon profitieren, dass rechtsextreme Einstellungen hier jahrzehntelang verharmlost wurden. Wenn sich hier De­mo­kra­t*in­nen im zweiten Wahlgang die Stimmen streitig machen, ist die AfD der lachende Dritte.

Die AfD hoffte schon länger auf den Gewinn einer Oberbürgermeisterwahl als weiteres Sprungbrett für die Landtagswahlen 2024 in Sachsen, Thüringen und Brandenburg. Sie fiel dabei bereits mehrfach auf die Nase: Im thüringischen Nordhausen entfaltete ein zivilgesellschaftliches Bündnis so viel Kraft, dass es der AfD den sicher geglaubten Stichwahlsieg regelrecht entriss, auch in Bitterfeld-Wolfen hatte ein Bündnis für den Gegenkandidaten erfolgreich mobilisiert. In Pirna gab es zwar einen späten Wahlaufruf eines zivilgesellschaftlichen Bündnisses – aber da war bereits klar, dass CDU und Freie Wähler sich gegenseitig kannibalisieren.

Bittere Zeiten brechen nun in Pirna vor allem für diejenigen an, die nicht ins Weltbild der Ras­sis­t*in­nen von der AfD passen und die sich dem Rechtsruck entgegenstellen – umso wichtiger ist ihre Unterstützung. Denn es steht viel auf dem Spiel. Und das übrigens nicht nur im Osten, wie spätestens mit den Wahlerfolgen der AfD in Bayern und Hessen und den rassistischen Diskursen zu Flucht und Migration klar geworden ist. Mit jedem Wahlerfolg normalisiert sich die AfD weiter und bekommt mehr Mittel an die Hand, um Schritt für Schritt die offene Gesellschaft abzuschaffen. Das mit allen erforderlichen Mitteln aufzuhalten, sollte Grundkonsens sein.