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Studie zu PflegepersonalHunderttausende Fachkräfte fehlen

Die Gesellschaft wird älter und es fehlen Pflegekräfte. Laut einer Studie könnten höhere Löhne und bessere Jobbedingungen gegen den Mangel helfen.

Schlechte Aussichten im Pflegeheim: Fachkräfte fehlen Foto: Tom Weller/dpa

Essen/Berlin afp/taz | Eine alternde Gesellschaft und gleichzeitig zu wenig Pfleger: Die Personalknappheit im Pflegebereich dürfte in Zukunft weiter zunehmen. Zu diesem Ergebnis kommt die am Montag vorgestellte Studie „Pflegeheim Rating Report 2024“ des Essener RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung. In der ambulanten und stationären Pflege kamen zwischen 1999 und 2021 zwar 427.000 zusätzliche Vollzeitkräfte hinzu, so dass 2021 insgesamt 1.257.000 Kräfte beschäftigt waren – unter ihnen 341.000 Pflegefachkräfte.

Laut Studie sind dies aber nicht genug – bis zum Jahr 2040 könnten mehrere hunderttausend Pflegekräfte fehlen. Der Bedarf könne derzeit am Arbeitsmarkt nicht vollständig gedeckt werden, weshalb ein zunehmender Mangel an Pflegefachkräften bestehe, schreiben die RWI-Forschenden. Dieser Mangel dürfte aufgrund einer immer älter werdenden Gesellschaft in Zukunft noch weiter zunehmen.

Die Studienautoren gehen bei konstanten Pflegequoten von bis zu 5,7 Millionen Pflegebedürftigen in Deutschland 2030 aus. Bis 2040 könnten es sogar 6,4 Millionen sein. Das wäre gegenüber 2021 ein Anstieg um 14 beziehungsweise 28 Prozent. Laut RWI hätte allein diese Fortschreibung des Status quo einen zusätzlichen Bedarf von 322.000 stationären Pflegeplätzen bis zum Jahr 2040 zur Folge.

Um die steigende Zahl an Bedürftigen zu versorgen, ist erheblich mehr Personal nötig. Bis 2040 rechnen die Forschenden mit einem Bedarf an insgesamt 163.000 bis 380.000 zusätzlichen Vollzeitkräften in der stationären und mit 97.000 bis 183.000 in der ambulanten Pflege. Auf Pflegefachkräfte entfällt davon ein zusätzlicher Bedarf zwischen 124.000 und 210.000 in der stationären und ambulanten Pflege.

Pflegeberufe müssen attraktiver werden

„Die Gesellschaft wird weiter altern“, erklärte RWI-Pflegeexpertin Dörte Heger zu den Ergebnissen. „Um die damit verbundene steigende Zahl der Pflegebedürftigen adäquat versorgen zu können, braucht die deutsche Pflegebranche in den nächsten Jahren zusätzliches Personal und Kapital.“ Es gelte, Pflegeberufe attraktiver zu machen und so die Personalknappheit zu überwinden.

Den Wissenschaftler zufolge könnte dies zum einen durch höhere Löhne geschehen. Zum anderen spielen auch weiche Faktoren eine wesentliche Rolle: unter anderem eine gute Führungskultur, gesellschaftliches Ansehen des Berufs, eine gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf und Karrieremöglichkeiten. Darüber hinaus könnte auch die Zuwanderung qualifizierter Pflegerinnen und Pfleger den Fachkräftemangel lindern. Das RWI hat für seine Studie 465 Jahresabschlüsse von 1.844 Pflegeheimen – entspricht rund 25 Prozent des stationären Pflegemarktes – aus den Jahren 2014 bis 2021 analysiert.

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6 Kommentare

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  • "Laut einer Studie könnten höhere Löhne und bessere Jobbedingungen gegen den Mangel helfen."



    LOL, um das festzustellen reicht der gesunde Menschenverstand.... dessen man sich seitens der Politik immer mehr verweigert.

  • Wir BürgerInnen und der Pflegebereich sind kein beliebtes Ziel für Milliardenhilfen!



    Im Unterschied zur Autoindustrie, Pharmaindustrie, Werbeindustrie usw.

    Um uns BürgerInnen helfen zu wollen müssten unsere PolitikerInnen schon weiter vorausdenken, als bis zur nächsten Wahl.

    Oder sie müssten das Wohl unserer Gesellschaft vor "Gewinne für die Industrie" stellen.

    Das wird nicht passieren.

  • Das Problem ist m.E. einigermaßen bekannt.

    1. Nach meiner Wahrnehmung hat sich beim Thema Bezahlung in den letzten 5 Jahren einiges bewegt, gerade bei den Fachkräften. Eine examinierte Fachkraft in Vollzeit (Altenpflege) dürfte bei etwa 3.400 EUR Brutto ohne Zuschläge liegen. Ergebnis sicher auch des heute schon verschobenenen Arbeitsmarktes in dieser Branche und sicher nicht das Ende der Fahnenstange, aber möglicherweise sind die Arbeitsbedingungen kritischer (Vor allem die Überlastung d. schlechte Personalausstattung).

    2. Deswegen sind die Vorgaben für Personalschlüssel und deren Finanzierung spannend: Schon heute senken z.T. Einrichtungen die Fachkraftquote (ich spreche von Altenpflegeeinrichtungen) auf das gesetzliche Mindestmaß und stocken mit Pflegehilfskräften (auch ausgebildete Menschen) auf. Dies wohl auch deshalb, weil die Pflegesätze, die durch die Versicherungen refinanziert werden, nur bedingt Spielraum bei der Personalausstattung lassen, selbst wenn ausreichend Kräfte gefunden werden.

    Heißt: Das Problem ist etwas größer als hier dargestellt, weil das "Mehr Geld" irgendwo herkommen muss. Höhere Zuzahlung dürfte nicht überall funktionieren und sollte m.E. auch nicht die Regel sein dürfen.

  • höhere Löhne und bessere Jobbedingungen könnten auch in anderen Branchen den Mangel an Arbeitskräften beheben. Nur leider wird das so nicht passieren.



    Ich erinnere mich an den Abschluss im Öffentlichen Dienst, wo die Politiker sich unglaublich gefreut haben, dass der Abschluss für die Beschäftigten einem starken Reallohnverlust entsprach. Wenn es um Politik geht, dann würden die am liebsten noch stärker die Löhne senken. Die Logik ist eben nicht, die Arbeitsbedingungen und Löhne zu verbessern, sondern das möglichst niedrig zu halten, wenn nicht zu senken. Die Haupstache, Deutschland bleibt möglichst ungleich, möglichst so, dass viele reiche und superreiche wenig beitragen, die Mitte muss dann praktisch für alles bezahlen, eben auch für die Pflegeversicherung.

  • taz: "Die Gesellschaft wird älter und es fehlen Pflegekräfte. Laut einer Studie könnten höhere Löhne und bessere Jobbedingungen gegen den Mangel helfen."

    Richtig, denn die beiden Zauberworte - um Pflegekräfte aus dem Zylinder zu ziehen - heißen bessere 'Arbeitsbedingungen' und höhere 'Löhne'. Das geht aber natürlich nicht, denn dann könnten ja die smarten BWL-Typen, die schon sämtliche Krankenhäuser und ähnliche Einrichtungen mit dem "spitzen Bleistift" leiten, nicht mehr mit dem dicken Portemonnaie in der Gesäßtasche herumlaufen.

  • Die vor wenigen Tagen beschlossene "Bombastische" Lohnerhöhung von ca. 7-9% im Öffentlichen Dienst (ab Ende 2024 bis Ende 2025, und nachdem es seit 2022 keine einzige Lohnerhöhung gab) wird bestimmt helfen, dass sich noch viel mehr Menschen für den Traumberuf Pfleger*in entscheiden.