Geschlossene Gesellschaft

Am Mittwoch trafen sich an der Berliner UdK Studierende zum „Strike for Palestine“. Medien waren beim Protest unerwünscht

Von Julian Sadeghi

Es sollte ein großer Streik „für Palästina“ werden an diesem Mittwoch an der Berliner Universität der Künste (UdK). Das Geschehen entpuppte sich dann aber rasch als weitere Episode kleingeistigen Aktivismus. Bei Schneetreiben versammelten sich ungefähr zwei Dutzend maskierte Studierende in der Eingangshalle der Universität. Auf dem der Gruppe zuzuordnenden Instagram-Account „notinourname_udk“ hatten die palituchtragenden Kunststudierenden seit Tagen um Unterstützung geworben. Der Vormittag blieb ruhig, Banner und Plakate hatten die Studierenden diesmal größtenteils zu Hause gelassen.

Gegen Mittag verkündete die Gruppe auf ihrem Social-Media-Konto, die Universität habe ihnen verboten, sich in der Eingangshalle zu versammeln, und erklärte, die weiteren Programmpunkte im studentischen „Café kubik“ im Obergeschoss abhalten zu wollen. Auf Anfrage der taz erklärte die Universitätsleitung, es habe mangels vorheriger Anmeldung der Veranstaltung „auf studentischer Seite eine falsche Auslegung des Rechtsrahmens bezüglich des Versammlungsrechtes“ gegeben, weswegen die Aktion in Absprache örtlich verlegt worden sei.

Am neuen Ort dann: geschlossene Gesellschaft. Me­di­en­ver­tre­te­r*in­nen waren unerwünscht. Dabei hatte man sich im Vorfeld auf Instagram so sehr einen Ort für „offenen Austausch und Diskussion“ gewünscht. Die Aussage vor Ort, man wolle sich in einem privaten, zurückgezogenen Rahmen versammeln, konterkarierten die Ak­ti­vis­t*in­nen dann aber performativ mit der Tatsache, dass sie ein eigenes Kamerateam vor Ort hatten und Teile ihrer Aktion vom Café live auf Instagram streamten. Zu sehen war eine Person, eine Kufiya über den gesamten Kopf gezogen, inklusive Gesicht. Der politische Aussagegehalt blieb indes unklar.

Es war nicht die erste propalästinensische Aktion der Kunststudierenden. Die FAZ hatte am Montag über eine andere „Performance“ berichtet, die schon am 13. November stattfand. Demnach hatten sich dort 80 bis 100 Studierende in der Eingangshalle versammelt, in ihrer Mitte ein Banner mit der kühnen Aussage „It’s not complicated“. Die Protestierenden hatten überdies ihre Handinnenflächen rot bemalt. Als Zeichen, dass angeblich Blut an den Händen deutscher Politiker klebe.

Sie bezeichnen die Lage im Gazastreifen pauschal als Genozid

Ermordung durch Lynchmob

Die Symbolwirkung auf Beobachter*innen, die sich nicht der Illusion hingeben, es sei ja alles ganz unkompliziert, war indes eine andere: Im Oktober 2000 ging das Bild eines palästinensischen Mörders um die Welt, dokumentiert von einem italienischen TV-Team. Der Mann hatte in einer Polizeistation in Ramallah als Teil eines Lynchmobs zwei israelische Reservisten ermordet. Nach der Tat zeigte er der Menge vor der Wache stolz seine blutverschmierten Hände. Eine grausame Symbolik, an die Mitte November 2023 Kunststudierende auf den Fluren einer deutschen Universität wieder anknüpften.

Der ideologischen Unterbau ihres neuerlichen „Streiks“ war vorab auf Instagram zu begutachten. Die Studierenden stimmten ein in den aktivistischen Chor juristischer Laien, die die gegenwärtige, zweifellos dramatische, Situation für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen als Genozid bezeichnen. Auch wähnen sich die Studierenden inmitten der „größten Maßregelung der freien Rede in öffentlichen Orten Deutschlands im 21. Jahrhundert“. Ihre Veranstaltung aber konnte stattfinden, das dürften die Studierenden bemerkt haben. Man weigere sich, schreiben sie weiter, hinzunehmen, dass das normale Alltagsleben auf dem Campus weitergehe. Tatsächlich war am Mittwoch aber augenscheinlich genau das der Fall. Es beinhaltet auch: Von Gegenprotest anderer Studierender an diesem verschneiten Mittwoch keine Spur.