Razzia in Bad Bramstedt: Reichsbewegter Querdenker in U-Haft

Das LKA nimmt einen Unterstützer der „Vereinten Patrioten“ fest. Er gehört wohl zu der Gruppe, die geplant hatte, Karl Lauterbach zu entführen.

Eine Frau mit weißem langen Haar wird von einer Polizistin in einen Gerichtssaal geführt. Man erkennt sie nicht, nur ihre Haare sind zu sehen.

Elisabeth R., wohl die Anführerin der Gruppe, steht mit fünf weiteren Beschuldigten vor Gericht Foto: Thomas Frey/dpa

HAMBURG taz | Das Landeskriminalamt (LKA) hat am Mittwoch einen 66-jährigen Mann im schleswig-holsteinischen Bad Bramstedt festgenommen. Der Verdächtige sitzt nun in Untersuchungshaft. Er soll den „Vereinten Patrioten“, einer Gruppe von Reichsbürger:innen, angehören, die geplant hatte, an einem sogenannten Tag X Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach zu entführen. Die Mitglieder der Gruppe hätten „billigend in Kauf genommen“, dabei die eingesetzten Per­so­nen­schüt­ze­r:in­nen des SPD-Ministers zu töten, sagt Liddy Oechtering, Sprecherin der Generalstaatsanwaltschaft Hamburg.

Dem Beschuldigten aus Schleswig-Holstein hält die Generalstaatsanwaltschaft vor, mutmaßlicher Unterstützer einer terroristischen Vereinigung zu sein, da er seine Bereitschaft zur Mitwirkung versichert und auch an einem Gruppentreffen teilgenommen haben soll. Ihm wird auch vorgeworfen, im Oktober 2023 einen scharfen Revolver mit zugehöriger Munition besessen zu haben.

Am Mittwoch hatte das LKA sowohl die Wohnung als auch das Wohnmobil des Verdächtigen durchsucht. Beweise seien sichergestellt worden, eine Waffe hätten die Ermittelnden bisher aber nicht gefunden, sagt Oechtering. Auch am Donnerstag seien die Ermittlungen weitergelaufen.

Die Gruppe, der er angehören soll, hatte geplant, mit der Entführung des Ministers und Sprengstoffanschlägen auf die Energieversorgung einen Umsturz herbeizuführen. Der bundesweite Stromausfall sollte über Wochen andauern, um eine Reaktion der Sicherheitsbehörden zu erschweren und Berichterstattung durch die Medien zu verhindern. In der Zeit wollten sie ein autoritär geprägtes Regierungssystem nach dem Vorbild der Verfassung des Deutschen Reiches von 1871 errichten.

Großer Gerichtsprozess läuft seit Mai in Koblenz

Das Netzwerk „Vereinte Patrioten“ soll Elisabeth R. aus dem sächsischen Flöha anführen. Seit dem 17. Mai steht die pensionierte Lehrerin und habilitierte Theologin mit vier weiteren Beschuldigten vor dem Oberlandesgericht Koblenz. Die Beschuldigten bewegen sich im Reichsideologie- und Querdenken-Spektrum. Elisabeth R. selbst sprach von „Corona-Weltkrieg“ und „Krypto-Juden“.

Im Oktober war die Generalstaatsanwaltschaft erneut gegen die Gruppe vorgegangen: In Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Thüringen, Hessen, Bayern und Baden-Württemberg fanden zeitgleich Razzien statt. Einen 52-jährigen Mann und eine 32-jährige Frau nahmen die Ermittelnden in Rheinland-Pfalz fest. Der Mann steht unter Verdacht, Hochspannungsleitungen ausgekundschaftet zu haben, die Frau soll über Chatgruppen versucht haben, neue Mitglieder zu akquirieren.

Das Ermittlungsverfahren gegen den Mann aus Bad Bramstedt wurde – wie weitere Verfahren gegen Verdächtige der Gruppe – gesondert von dem Prozess geführt, erklärt Oechtering.

Diese neue Mischszene, der die Verdächtigen wohl angehören, etablierte sich mit der Pandemie und bewegt sich zwischen Reichsideologie, Querdenken und Rechtsextremismus. Einzelne radikalisierten und organisierten sich weiter – bis zur Militanz. Nachdem die „Vereinten Patrioten“ im April 2022 aufgeflogen waren, folgte am 7. Dezember die „Patriotische Union“.

Auch die „Patriotische Union“ spricht von „Tag X“

Dieses Netzwerk um Heinrich XIII. Prinz Reuß wollte – ebenfalls an einem Tag X – den Bundestag stürmen, Abgeordnete festsetzen und Stromanlagen zerstören, um einen Umsturz herbeizuführen. Reuß sollte eine neue Regierung anführen. Auch die Mitglieder dieser Gruppe gingen davon aus, dass Menschen dabei zu Tode kommen könnten. Auf die Gruppe stieß man durch die Ermittlungen zu den „Vereinten Patrioten“.

Die Ermittelnden ­gehen von 69 Mitgliedern oder Un­ter­stüt­ze­r:in­nen der „Patriotischen Union“ aus. Im Norden sind ein Ex-Polizeibeamter, der für die Partei „Die ­Basis“ zur Bundestagswahl 2021 kandidierte, eine Heilpraktikerin und ein Holocaust-Relativierer involviert.

Die „Vereinten Patrioten“ scheinen außer dem 66-Jährigen nicht mehr Mitglieder zu haben – nach bisherigen Ermittlungen.

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