Regierung in Großbritannien: Unerwartetes Comeback
Der britische Premier Rishi Sunak besetzt mehrere Kabinettsposten neu – und holt einen ehemaligen Regierungschef zurück.
Überraschender war jedoch die Ernennung des neuen Außenministers: Es ist kein geringerer als David Cameron, zwischen 2010 und bis zum Ergebnis des Brexit-Referendums 2016 britischer Premier. Da Cameron kein gewählter Abgeordneter ist, erfolgte seine Ernennung, nachdem ihn König Charles im Eilverfahren zu einem Mitglied des House of Lords gemacht hatte.
Die Entlassung Bravermans folgte auf ihre kontroversen und nicht mit 10 Downing Street abgesprochenen Aussagen in der Times vergangene Woche. Sie hatte der Polizei vorgeworfen, gegen propalästinensische Demonstrationen und Black-Lives-Matter-Proteste im Vergleich zu Fußballfans und Lockdowngegner:innen härter vorzugehen. Ihre Aussagen waren der Auslöser für rechtsextreme Gegenproteste und gewalttätige Angriffe am Samstag in London, dem Tag des Gedenkens an die seit 1914 in Kriegen gefallenen britischen Soldat:innen.
Bereits in den vergangenen zwölf Monaten war Braverman mit scharfen Aussagen über Obdachlose, Bootsflüchtlinge, und Multikulturalismus aufgefallen. Noch am Sonntag hatte sie auf X, ehemals Twitter, behauptet, Londons Straßen seien durch Hass, Gewalt und Antisemitismus verunreinigt.
Zweimal das Innenministerium verlassen
Es ist bereits das zweite Mal, dass Braverman ihren Posten als Innenministerin verlassen musste. So trat sie unter Sunaks Vorgängerin Liz Truss aufgrund von Regierungsdokumenten zurück, welche sie an Unbefugte E-Mails weitergegeben hatte. Doch Sunak holte sie zurück – wahrscheinlich, um mit ihr eine Vertreterin des rechten Flügels der Partei in sein Kabinett mit aufzunehmen. Braverman schielt auf die Parteiführung, für die sie bereits 2022 kandidierte. Zudem geniest sie das Wohlwollen zweier rechter Torygremien: der „New Conservatives“, eine Gruppe von Abgeordneten, die 2019 ehemalige Labourhochburgen eroberten, und der „Common Sense Group“, ein Konsortium rechtsreaktionärer Tories.
Mit der Ernennung von James Cleverley und David Cameron, mag Rishi Sunak ministerielle Erfahrung auf den wichtigsten Posten signalisieren wollen. Bei verschiedenen Nachwahlen binnen des vergangenen Jahres hatten sich ehemalige Konservative für die Rückkehr der „moderateren“ „One Nation“-Tories im Stile Camerons ausgesprochen.
David Cameron, ein unbeschriebenes Blatt
Doch Cameron ist kein unbeschriebenes Blatt. So war er es, der das Brexitreferendum angesetzt hatte. Zudem waren es die Regierungen unter seiner Führung, deren Austeritätspolitik das Gesundheitssystem und soziale Dienste auszehrte.
Zuletzt musste sich David Cameron dafür entschuldigen, 2020 während der Coronapandemie seine politischen Kontakte ausgenutzt zu haben, um dem Finanzunternehmen Greensill zu einem Regierungsauftrag zu verhelfen. Weitere Kritik musste sich Cameron gefallen lassen, weil er erst vor einem Monat als Fürsprecher für ein umstrittenes chinesisches Hafenprojekt in Sri Lanka aufgetreten war. Der langjährige konservative Abgeordnete Ian Duncan Smith, der aufgrund seiner Kritik an China von Peking mit Sanktionen belegt ist, kritisierte deshalb Camerons Ernennung.
Inwieweit Sunak mit den Umbesetzungen im Kabinett seinem Parteitagsversprechen, dem Konsens der vergangenen 30 Jahre eine neue Politik entgegenzusetzen, nachkommt, bleibt derzeit offen. Klar ist, dass dies jedoch sein letztes Aufgebot sein könnte, mit dem er 2024 in den Wahlkampf zieht.
Derweil gab es auch noch andere Umbesetzungen. Neuer Umweltminister wird Steve Barclay. Unter Boris Johnson war er Brexit-Minister und bis zum Montagmorgen Minister für Gesundheit und Soziales. Victoria Atkins, ehemalige Staatssekretärin im Finanzamt, wurde Steve Barclays Nachfolgerin. Eine ganze weitere Liste von Umbesetzungen war bis Redaktionsschluss nicht bekannt.
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