Scholz erlebt Raketenangriff auf Israel: „Raus, raus, raus!“

Raketenalarm am Flughafen Tel Aviv: Während seines Besuchs in Israel bekommt Kanzler Olaf Scholz die Gewalt des Krieges hautnah zu spüren.

Israel, Tel Aviv: Bodyguards bringen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, M) nach einem Luftalarm am Ende seines Solidaritätsbesuches in Israel in sein Flugzeug.

Zurück in den Flieger: Kanzler Olaf Scholz einige Minuten nach dem Raketenalarm in Tel Aviv Foto: Michael Kappeler/dpa

TEL AVIV taz | So fühlt sich das also an, wenn man mitten im Krieg ist. Olaf Scholz hat sich gerade von Deutschlands Botschafter in Israel, Steffen Seibert, verabschiedet, letzte Selfies wurden gemacht, im weißen Regierungsflieger „Konrad Adenauer“ klicken die Anschnallgurte. Der Kanzler, die Delegation und die mitreisenden Journalist:innen, alle haben Platz genommen und ihr Gepäck verstaut. Es ist Dienstagabend, kurz vor halb zehn. Von Tel Aviv soll es an diesem Abend noch nach Kairo gehen, wo Scholz am nächsten Morgen einen Termin mit Ägyptens Machthaber Abdel Fattah al-Sisi hat. Da ertönt Sirenengeheul. Das Bordpersonal scheucht alle hoch. „Raus, raus, raus, raus“, heißt es. „Schnell. Und draußen auf den Boden legen.“

Neben der vollgetankten Maschine legen sich Männer und Frauen in Blazern und Anzügen flach auf den Asphalt, einige zücken die Handys, ein Kameramann filmt. Über ihnen die Tragflächen es Flugzeugs und der schwarze Nachthimmel. Der Kanzler wird über die Gangway geführt und in einen Container neben dem Flugfeld.

Über dem Dröhnen der Turbinen ist deutlich zweimal ein dumpfes Buff zu vernehmen, am Himmel blitzt es. Es sieht aus wie Silvesterraketen. Tatsächlich sind es echte, vermutlich abgefeuert von der Hamas und abgefangen vom israelischen Raketenschutzschirm Iron Dome.

Nach fünf Minuten ist der Spuk vorbei. Alle rappeln sich auf, schauen sich um. Jemand schluchzt. War's das?

Kanzler gedenkt der Opfer

Schon der letzte Termin des Kanzlers an diesem Dienstagabend, ein Treffen mit Angehörigen der von der Hamas entführten deutschen Geiseln in der Deutschen Botschaft in Tel Aviv, wurde zweimal von Luftalarm unterbrochen. Die Menschen mussten zügig Schutzräume aufsuchen. Auch Ricarda Louk, die Mutter der 22-jährigen Shani Louk, die als Gefangene der Hamas irgendwo verletzt in Gaza vermutet wird, war unter jenen, die sich in einen der stickigen und vollgestellten Luftschutzräume zwängen. Sie lächelt müde. „Das ist jetzt unsere schreckliche Realität.“

Nach dem Gespräch auf dem Weg zum Flughafen hatte Scholz noch einen Zwischenstopp eingelegt. Auf dem Dizengoff-Platz zündet er eine Kerze an, zusätzlich zu den hunderten, die dort schon stehen. Der Platz ist belebt um diese Stunde nach Sonnenuntergang. Viele Menschen haben sich versammelt. Sie trauern um die über tausend israelischen Opfer, die der Angriff der Hamas vor nunmehr 11 Tagen gekostet hat, um die knapp 200 verschleppten Menschen in den Händen der Hamas.

Es muss ungefähr um diese Uhrzeit sein, als in einem Krankenhaus in Gaza eine Rakete einschlägt. Die Hamas meldet hunderte Tote, die UN sprechen mittlerweile von 1.000. Während die Hamas umgehend Israel für den Einschlag verantwortlich macht, dementiert die israelische Regierung und verweist auf den Islamischen Dschihad, eine palästinensische Splittergruppe. Es sind jedenfalls genau die Bilder, auf die die Hamas im Propagandakrieg setzt, und sie lösen auch genau die Reaktionen aus, die ausgelöst werden sollen. Die Hisbollah ruft für diesen Mittwoch einen Tag des beispiellosen Zorns aus, Jordanien gibt US-Präsident Joe Biden einen Korb und in Berlin werden Böller gezündet.

Mit fast eineinhalb Stunden Verspätung kann die Kanzlermaschine am Dienstagabend von Tel Aviv nach Kairo starten. Vom Gespräch mit al-Sisi erhofft sich Scholz, dass der Ägypter dazu beitragen wird, einen Flächenbrand in Nahost zu verhindern und einen humanitären Korridor ins benachbarte Gaza zu öffnen.

Während des Wartens im Luftschutzraum der Botschaft in Tel Aviv am Dienstagabend flüsterte eine Freundin der entführten Shani Louk: „Ich hoffe manchmal, dass beide Seiten erkennen, wie schlimm es ist, und genug von all der Gewalt haben. Dass es einfach endet.“ Aber sie wisse, dass das nicht realistisch sei.

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