Trotz sexueller Übergriffe: Grabbel-Prof darf bleiben

Die Uni Göttingen wird einen Forstwissenschafts-Professor nicht los. Dabei sieht das Gericht als erwiesen an, dass er mehrfach übergriffig wurde.

ein Mensch legt seine hand auf den mit einer Jeans Oberschenkel eines anderen Menschen

Führt nicht automatisch zum Verlust der Professur: Hand an der falschen Stelle Foto: Sarah Cervantes/Unsplash

GÖTTINGEN taz | Unerwünschte Berührungen, sexistische Anmerkungen und übermäßiger Alkoholkonsum – all diese Vorwürfe wurden einem Professor der Georg-August-Universität Göttingen gemacht. Mit einer Disziplinarklage vorm Verwaltungsgericht gegen den Forstwissenschaftler hatte die Uni versucht, ihn aus diesen Gründen loszuwerden. Doch das Gericht verurteilte den Mann am Mittwoch lediglich zu einer Kürzung seiner Dienstbezüge um monatlich 2.000 Euro.

Der Beschuldigte sprach zum Ende des Verfahrens von einer „Ini­tiative sogenannter Kolleg*innen“ mit der Absicht, ihn in ein „perverses Licht zu stellen“. Die Anschuldigungen gegen sich bestritt er alle.

Insgesamt sind 44 Vorwürfe mit der Klageschrift im April 2018 beim Gericht in Göttingen eingegangen und 19 Zeu­g*in­nen wurden befragt. Die verhandelnde Kammer hatte entschieden, sich auf die sexuelle Belästigung zu konzentrieren, denn der Missbrauch von Alkohol im Dienst sei nicht maßgeblich. Damit habe es ein „reduziertes Volumen von Vorwürfen“ gegeben. Von den „Übriggebliebenen“ stuft die Kammer zehn als nachgewiesen ein. Neun seien als Dienstvergehen zu lesen und in sechs Fällen stellte das Gericht sexuelle Belästigung fest.

Ein Gegenstand des Verfahrens war eine Besprechung des Wissenschaftlers mit einer Doktorandin in seinem Büro. Dabei soll er mit seinem Fuß an der Innenseite ihres Beines hochgewandert sein. Das Gericht stuft den Vorfall als sexuelle Belästigung ein. Es habe weitere Situationen gegeben, in denen der Mann Zeu­g*in­nen an der Hüfte oder am Oberschenkel berührt habe.

Betroffene wollte „keine Szene“ machen

In einem Fall sei die Hand des Professors „relativ weit oben und relativ weit innen auf dem Bein“ gewesen, in einem anderen soll der heute 60-Jährige seine Hand auf das Bein einer Zeugin gepresst haben. Im Zeu­g*in­nen­stand gab die Betroffene an, sie habe „keine Szene“ machen wollen und habe sich damit abgefunden.

Es ist nicht das erste Mal, dass die Exzellenz-Uni Schlagzeilen dieser Art macht. Im vergangenen Jahr hat ein anderer Forstwissenschaftler, der „Prügel-Prof“, für Aufsehen gesorgt. Die Bezeichnung kommt nicht von ungefähr: Er soll Frauen geschlagen haben. Eine Doktorandin habe er dazu gedrängt, sich mit einem Stock auf ihr nacktes Gesäß schlagen zu lassen. Der NDR berichtete, der Mann habe später eingeräumt, einer Frau auf ihren Oberschenkel gehauen zu haben, „damit sie mit ihrer Doktorarbeit ‚in die Strümpfe komme‘“. Letztlich verurteilte das Gericht den Wissenschaftler wegen Körperverletzung zu einer Bewährungsstrafe.

Das Strafmaß wurde laut Medienberichten damit begründet, dass das Gericht dem Mann nicht den Verlust seines Beamtenstatus zumuten wolle. Der Staatsanwaltschaft war das nicht genug: Sie gab den Fall an die Bundesanwaltschaft weiter, die dann vor den BGH zog. Der befand das Urteil auch nicht für ausreichend. Indem der Professor seiner Doktorandin gedroht habe, ihre Promotion scheitern zu lassen, habe er sie unter Druck gesetzt. Der Tatverdacht der Nötigung müsse somit in die Gerichtsentscheidung einfließen. Das ursprüngliche Urteil wurde aufgehoben und an eine andere Kammer des Landgerichts zur Neuverhandlung gegeben.

Auch im aktuellen Fall entschied das Gericht, den Professor nicht aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Der Wissenschaftler, der 2011 als Professor auf Lebenszeit berufen worden war, bleibt es weiterhin. Allerdings fällt er in der Besoldung um zwei Stufen und damit auf die eines Juniorprofessors herab. Das bedeutet 2.000 Euro weniger im Monat. Der Professorenstatus ist nicht mehr in Gefahr. „Wir nehmen das Urteil mit großer Überraschung zur Kenntnis“, heißt es von der Pressestelle der Uni. Es seien schließlich gravierende Verstöße gegen Dienstpflichten belegt.

Erste Hinweise vor elf Jahren

Schon ein Jahr nach seiner Verbeamtung soll die Gleichstellungsbeauftragte über unerwünschtes Verhalten des Professors informiert worden sein. In Gesprächen habe der Wissenschaftler die Anschuldigungen abgestritten. Hinweise auf grenzüberschreitendes Verhalten rissen aber nicht ab. 2017 erteilte die Universität dem Professor ein Hausverbot und untersagte ihm, Dienstgeschäfte zu führen. Das Gericht spricht davon, dass die Uni die Entscheidung revidieren solle.

Auf der Website der Fakultät für Forstwissenschaften und Waldökologie ist in orangener Signalfarbe zu lesen: „Stoppt sexualisierte Belästigung und Gewalt!“ Die Uni gibt an, sie ziehe ernsthafte Konsequenzen. Betroffene und Personen, die Fehlverhalten beobachten, werden ermutigt, „sich umgehend an entsprechenden Beratungsstellen und Ansprechpersonen zu wenden“. Es finden zudem Workshops zur Sensibilisierung und Prävention statt.

Es hat auch Zeu­g*in­nen gegeben, die angeben, sich an kein übergriffiges Verhalten des Professors zu erinnern. Im Zeu­g*in­nen­stand wurde die Annahme formuliert, es handele sich um Intrigen und um eine Verschwörung gegen den Professor. Das Gericht hielt es indes für „natürlich“, dass Betroffene sich austauschen und fragen, ob auch weitere Personen ähnliche Erfahrungen gemacht hätten und zu einer Aussage bereit seien.

Die Kammer ist der Auffassung, dass der Beschuldigte Macht- und Hierarchieverhältnisse genutzt und sich uneinsichtig gezeigt habe. Die Uni kündigte an, voraussichtlich Berufung gegen das Urteil einzulegen. Man dulde keine sexualisierte Belästigung und wolle „sämtliche rechtlichen und disziplinarischen Maßnahmen ausschöpfen“, um die Wiederholung solcher Taten zu verhindern.

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