Kommentar von Gereon Asmuth zum 1,5-Grad-Ziel beim Klimawandel
: Der Traum ist aus

Die Uhr tickt. Unerbittlich. Und rückwärts. Am 1. Oktober 2026 wird, so zeigt es die CO2-Uhr auf taz.de, die Menschheit das Budget an Kohlendioxidausstoß verbraucht haben. Jede weitere Tonne wird dazu führen, dass das Ziel der Pariser Klimakonferenz, die Erwärmung bis 2100 auf 1,5 Grad zu begrenzen, nicht mehr zu erreichen ist.

Am Sonntag um 17.30 Uhr blieben der Menschheit noch genau drei Jahre für ein Wunder. Aber nichts deutet darauf hin. Im Gegenteil. Das 1,5-Grad-Ziel ist Makulatur. Der Traum ist aus. Die Welt wird sich stärker erhitzen. Wir sind auf dem Weg zu 3 Grad mehr bis zum Jahr 2100. In Städten mit Kontinentalklima wie Berlin hieße das: 6 Grad mehr.

Ist also alles zu spät? Zumindest so spät, dass Politik sich auf Hitze ausrichten müsste, wie in Frankreich, wo mit plus 4 Grad kalkuliert wird. Aber nicht so spät, dass der Kampf gegen den Klimawandel zwecklos würde. Im Gegenteil. Jedes zehntel Grad zählt. Jahrzehntelang wurde versucht, das Drama des Klimawandels mit dem steigenden Meeresspiegel zu veranschaulichen. Mit geringem Erfolg. Denn wer wohnt schon am Meer? Mittlerweile ist der Klimawandel längst Realität. Der September war mal wieder der heißeste seit Menschengedenken. Und das Meer wartet nicht mehr, bis es über die Deiche schwappen kann. Es fällt uns vom Himmel auf den Kopf: Seit März liegt die Temperatur der Weltmeere auf Rekordniveau. Die Verdunstung steigt. Die Folge sind dramatische Starkregen weltweit – zuletzt mit Tausenden Toten in Libyen.

Die Rache von Mutter Erde? Nein, die physikalische Konsequenz aus der Blödheit der Menschen. Und die steigt, nicht nur bei den Klimawandelleugnern der AfD oder den FDP-Radikalen, sondern selbst bei Linken, die etwa gegen ein klimaneutrales Berlin votierten, weil das nicht finanzierbar sei. All das ist ein Verbrechen an der Generation, die gerade in die Kita geht. Die Kinder von heute werden im Sommer 2100 die sein, die dann den Hitzetod sterben.

taz klima