Bidens Problem im Süden

An der mexikanisch-US-amerikanischen Grenze werden immer mehr Familien, die die Grenze illegal überqueren, festgenommen. Derweil beginnt der US-Wahlkampf – und Migration ist ein wichtiges Thema

Aus Washington Hansjürgen Mai

Rekord an der mexikanisch-US-amerikanischen Grenze: Im vergangenen Monat wurden dort mehr Familien, die versuchten, illegal in die USA zu gelangen, aufgegriffen als je zuvor. Aus vorläufigen Zahlen der US-Grenzschutzbehörde CBP geht hervor, dass Familien im August – zum ersten Mal im Laufe der Amtszeit von US-Präsident Joe Biden – die größte demografische Gruppe der an der Grenze Festgenommenen waren. Wie die US-Zeitung Washington Post berichtet, wurden im vergangenen Monat mindestens 91.000 Menschen, die Teil einer Familieneinheit waren, von US-Grenzschützern verhaftet.

Der alte Rekord aus der Amtszeit von Bidens Amtsvorgänger Donald Trump wurde damit um mehrere Tausend übertroffen. Im Mai 2019 wurden etwas weniger als 85.000 Familienmitglieder an der Grenze verhaftet.

Für Biden stellen die steigenden illegalen Einwanderungszahlen vor allem im Hinblick auf die Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr ein Problem dar. Immigrationsgesetze, die seit mehreren Jahrzehnten nicht mehr angepasst worden sind, und eine verschärfte Asyl- und Flüchtlingspolitik tragen – paradoxerweise – zum Anstieg der illegalen Einwanderung bei.

Ex-Präsident Trump nutzte den wachsenden Unmut gegen Migranten und Geflüchtete im Land, um 2016 die Präsidentschaftswahlen für sich zu entscheiden. Auch im aktuell beginnenden Wahlkampf werfen Trump und seine republikanischen Konkurrenten um das Amt des Präsidentschaftskandidaten mit Anti-Immigrations-Parolen um sich. Einige wollen sogar das US-Militär zur Grenzsicherung einsetzen, um damit den Strom von Migranten und illegalen Drogen, wie sie sagen, zu stoppen.

„Wenn Drogenhändler Fentanyl über die Grenze schmuggeln, dann wird es das Letzte, was sie getan haben. Wir werden Gewalt anwenden und sie eiskalt töten“, sagte etwa der republikanische Gouverneur Floridas, Ron DeSantis, während der ersten TV-Debatte im Vorwahlkampf im vergangenen Monat. Der 44-Jährige konkurriert unter anderem mit Trump um die Position des republikanischen Präsidentschaftskandidaten.

Doch auch die demokratische Regierung von Biden hat sich in den vergangenen Jahren in Sachen Immigrations- und Asylpolitik nicht mit Ruhm bekleckert: Der aus der Trump-Zeit übernommene sogenannte Title 42 endete trotz Protesten von Menschenrechtsorganisationen erst im Mai dieses Jahres. Die Regelung, die aufgrund der Coronapandemie geschaffen wurde, vereinfachte die Abschiebung von illegal Eingereisten. Menschenrechtsorganisationen hatten der Regierung Biden vorgeworfen, sie als Mittel, illegale Einwanderung zu drosseln, zu missbrauchen.

Nach dem Ende von „Title 42“ führte die Regierung neue Verordnungen in der Asyl- und Flüchtlingspolitik ein. Laut US- und internationalem Recht kann jeder, der in die USA gelangt, Asyl beantragen. In der Vergangenheit dauerte es aber oft Jahre, bis ein Gericht eine Entscheidung bezüglich des Asylantrags traf. Die neuen Regeln besagen nun: Nur Personen, die sich bereits vor dem Betreten von US-Boden online oder per App angemeldet haben oder zunächst in einem Transitland Asyl beantragt haben, haben weiterhin ein Recht auf Asyl.

Interessengruppen haben Klage gegen diese Verschärfung eingereicht. Diese durchläuft derzeit die Gerichte. Bis das geklärt ist, kommen die neuen Regeln, die von Gegnern als „Asylverbot“ bezeichnet werden, aber zur Anwendung. Nach einem anfänglichen Rückgang der illegalen Einwanderungszahlen sind diese in den vergangenen beiden Monaten wieder deutlich angestiegen.

Die US-Regierung versucht, die Lage an der Grenze unter Kontrolle zu bringen und den Republikanern damit den Wind aus den Segeln zu nehmen. Die Leidtragenden sind die, die auf der Suche nach dem „American Dream“ ihr Leben aufs Spiel ­setzen.