Kino Colosseum in Berlin-Prenzlauer Berg: Eine kolossale Wiedereröffnung

Alles kommt anders. Nach drei Jahren Schließung gibt es im Colosseum wieder kulturelle Nutzung. Was danach kommt, ist allerdings ungewiss.

Ein Foto aus dem letzten Jahrhundert. Das Colosseum 1996 Foto: akg-images / Herbert Kraft

BERLIN taz | Die Sonne geht unter, es sind immer noch fast 30 Grad in der Stadt, und trotzdem summt es im Foyer des Kinos Colosseum wie in einem Hornissenkasten. Große rote und schön geschwungene Leuchtbuchstaben weisen den Weg zur Bar, zu den Kassen, zu den Kinosälen eins, zwei und drei. Menschen mit Sektkelchen in der Hand unterhalten sich angeregt darüber, wie schön es doch ist, wieder ein Kino im Viertel zu haben. Fast drei Jahre lang war das Kino an der Ecke Gleimstraße und Schönhauser Allee verrammelt und sollte laut Eigentümer zum größten Teil Büros weichen. Und nun am Samstagabend die überraschende Wende.

Die festliche Eröffnung soll zunächst einmal einen auf zwei Jahre angelegten Übergang in eine neue Phase der Filmnutzung bedeuten, berichten die neuen Betreiber vor der ersten Filmvorführung im ariellegrünen Kinosaal 1, der unter Denkmalschutz steht und in dem gleich der Film „In einem Land, das es nicht mehr gibt“ aus dem letzten Jahr gezeigt werden soll.

„Wir haben hier im Saal nichts angefasst“, sagt Hans-Joachim Flebbe, der in Berlin den Zoo Palast und die Astor Film Lounge betreibt und nun hier Kiezkino für die Nachbarschaft betreiben möchte. Flebbe weiß ganz genau, dass er es hier mit einem der ältesten Kinos der Stadt zu tun hat. Das Colosseum wurde 1924 eröffnet und 1957 als Premierenkino der DDR wiedereröffnet. Nach einer Sanierung Ende der Neunziger kamen neben dem historischen Kinosaal neun moderne Säle mit insgesamt 2.800 Plätzen hinzu.

Damals stand Flebbe schon einmal hier auf der Bühne. Er hatte sich mit dem Kino-Mäzen Artur Brauner zwecks Wiederbelebung des Kinos zusammengetan, stieg bald darauf aber wieder aus. „Ehrlich gesagt haben sich Besucherzahlen von einem Tag auf den anderen halbiert, als Anfang der Nullerjahre praktisch nebenan das Kino in der Kulturbrauerei eröffnet wurde.“ Später wirtschafteten die Erben Brauners das Kino völlig runter, neben Popcorn und Cola aus Eimern gab es meist nur Filme, wie sie dank Internet fast besser auf dem heimischen Sofa zu sehen sind.

Das schleichende Aus

Während des ersten Corona-Shutdowns im Frühjahr 2020 meldete das Kino dann endgültig Insolvenz an und stellte den Filmbetrieb ein. Trotz guter Lage mit U- und S-Bahn-Anbindung sei der Betrieb nicht mehr wirtschaftlich, hieß es. Zwei Jahre später verkündete die Hamburger Immobilienfirma Values Real Estate, dass sie die Immobilie erworben habe.

Nun also doch wieder Kino – eine schöne Sache also. Auch wenn das derzeitige Programm noch vieles vermissen lässt, was erfolgreiches Kiezkino heute ausmacht: Spannendes Arthaus, Filme in Originalsprachversion oder Filmreihen und -gespräche etwa. Dennoch versichert Flebbe, er versuche hier eine Art „Probelauf für Multiplexe“, die sich immer weniger gegen die Streaming-Dienste behaupten können. Neben ihm stehen deshalb am Samstagabend auch mit Leon Roewer und David Boldt zwei der drei Kulturmanager auf der Bühne, die auf den übrigen Flächen und in den anderen sieben Sälen des Kinos Lesungen, Konzerte, Ausstellungen, Workshops und Messen veranstalten werden.

Organisatorin des Ganzen ist Lillemor Mallau, die aus der Event-Branche kommt und mit ihrer Starlounge GmbH beispielsweise auch das Imax am Potsdamer Platz betreibt. Sie zeigt sich auf der Bühne als eine der Bestgelaunten und sagt später gegenüber der taz, das Colosseum als Ort für Kultur und Begegnung sei ihr eine Herzensangelegenheit. „Der Prenzlauer Berg ist einzigartig in Deutschland, es treffen unterschiedlichste Lebenswelten aufeinander. Es ist mein Bezirk, den ich liebe. Ich hoffe, dass die Menschen den neuen Betrieb annehmen werden.“

Ein großer Haken an der kulturellen Nutzung des Colosseums gibt es allerdings doch noch: An den Absichten von Values Real Estate, das Colosseum in den hinteren Teilen abzureißen und durch ein „Hub der Medienindustrie“ zu ersetzen, hat sich vorerst nichts geändert. Ken­ne­r*in­nen der Kinolandschaft in Pankow vermuten, dass die denkmalpflegerischen Auflagen des Bezirks zu hoch waren und das Unternehmen vielleicht auch wegen der Explosion der Baupreise eingeknickt sein könnte.

Warum der neuerdings grün regierte Bezirk von den Plänen seiner linken Vorgänger, das Colosseum zu kaufen, abgerückt ist und was aus dem Colosseum in zwei Jahren werden könnten, dazu wollen sich weder Bezirk noch Unternehmen gegenüber der taz äußern. Trotzdem ist Bezirksbürgermeisterin Cordelia Koch (Grüne) am Samstagabend nicht um warme Worte fürs neue Colosseum verlegen.

Und auch wenn sich Lillemor Mallau an diesem Abend optimistisch zeigt, was die kulturelle Nutzung über 2025 hinaus angeht: Der Verein „Rettet des Colosseum“, den die 2020 entlassenen Mitarbeiter des Kinos gegründet haben, äußert sich eher skeptisch. Damals hatten diese immer wieder vorm geschlossenen Kino protestiert, eine Petition gestartet und sogar für eine Genossenschaft geworben.

„All das, was jetzt im Colosseum stattfinden soll, haben wir vor drei Jahren gefordert und angestrebt“, so Ex-Kinomitarbeiter Michel Rieck gegenüber der taz. „Darum ist es umso bedauerlicher, dass wir nicht einmal über die Wiedereröffnung informiert waren, geschweige denn involviert wurden.“

Rieck befürchtet, dass die Immobilienfirma mit dieser Zwischennutzung lediglich die Stadtgesellschaft beschwichtigen möchte.

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