Eröffnungsfilm in Venedig: Gnocchi im U-Boot
Lidokino 2: Eigentlich sollte Luca Guadagninos neues Werk die Filmfestspiele von Venedig eröffnen. Als Ersatz lief nun das italienische Kriegsdrama „Comandante“.
G nocchi sind, richtig zubereitet, eine köstliche Sache. Wer lange Zeit auf See unterwegs ist, freut sich umso mehr, wenn es an Bord etwas „Richtiges“ zu essen gibt. In Edoardo De Angelis’ Spielfilm „Comandante“ bekommen die Gnocchi eine fast rettende Qualität, helfen sie doch, die Moral einer U-Boot-Besatzung deutlich zu heben. Auch sonst spielt das Essen darin eine wichtige Rolle.
„Comandante“ eröffnet die 80. Ausgabe der Filmfestspiele von Venedig als Ersatz für den ursprünglich vorgesehenen Liebesfilm „Challengers“ von Luca Guadagnino. Durch den Streik in Hollywood hätte dessen Star Zendaya auf dem Lido und dem roten Teppich gefehlt, sodass er zurückgezogen wurde. Statt Liebe jetzt Krieg, statt Zendaya der italienische Schauspielstar Pierfrancesco Favino.
Favino spielt in „Comandante“, nach einer wahren Geschichte aus dem Zweiten Weltkrieg, den U-Boot-Kapitän Salvatore Todaro. Dessen Vorname hat durchaus etwas Prophetisches. Denn trotz seines wild entschlossenen Auftretens handelt dieser als Kommandant der „Cappellini“ nach anderem Kompass als andere Kriegsparteien.
Bei einer Kanonenschlacht im Atlantik mit einem belgischen Handelsschiff, dass unter britischer Flagge segelt, versenkt er das Schiff und rettet anschließend einen Teil der Besatzung. De Angelis steuert seinen Film bedächtig auf dieses Ziel zu, beginnt mit einem fast kitschigen Prolog, in dem der kriegsversehrte Todaro von seiner Frau Anna (Cecilia Bertozzi) gepflegt wird. Er soll sich als Kriegsveteran zurückziehen, sie möchte mit ihm auf dem Land leben. In seltsam gekünstelten Einstellungen sitzen die beiden in der Badewanne, sie trägt seine Kapitänsmütze, dazu sieht man ihre nackten Brüste, was wie ein unbeholfenes Zitat aus Liliana Cavanis „Der Nachtportier“ von 1974 wirkt, in dessen berühmtester Szene Charlotte Rampling in ähnlicher Kostümierung, doch in völlig anderem Zusammenhang zu sehen ist.
Pommes frites im U-Boot
Sobald die „Cappellini“ in See gestochen ist, ändert sich der Ton. Jetzt sind harte Männer am Ruder, die Folgenreiches entscheiden müssen. Der Tod lauert unter Wasser überall. In der Enge des U-Boots bleibt dennoch Zeit für Betrachtungen über die Vielfalt der italienischen Küche, deren Grenzen eingeschlossen: Als die belgischen Seeleute unter Deck genommen werden, weil ihr Rettungsboot gesunken ist, dauert es nicht lange, bis diese nach ihrem Nationalgericht gefragt, dem Schiffskoch Pommes frites beibringen. Was der neapolitanische Koch mit den Worten kommentiert: Wir Neapolitaner frittieren alles, aber darauf sind wir nicht gekommen.
Das wäre als Geste der Völkerverständigung ein gelungener Witz, wie überhaupt De Angelis bemüht ist, die humane Seite Todaros zu zeigen. Vom historischen Zusammenhang erfährt man weniger. Immerhin: Die Nazis hätten die Überlebenden im Wasser ihrem Schicksal überlassen. Doch auch der belgische Kapitän gesteht Todaro später, er hätte ihn im umgekehrten Fall nicht gerettet. Todaros Replik in all diesen Fällen lautet: Wir sind Italiener.
Damit nicht genug, wenn Belgier die Faschisten beschimpfen, schleudert ihnen Todaro „Wir sind Seeleute!“ entgegen. Auf die Gegenwart bezogen, lautet die frohe Botschaft des Films: Menschen in Seenot wird geholfen, was ein positives Zeichen für die Migration über das Mittelmeer sein mag. Andererseits ist das mantraartige Beschwören der italienischen Identität und das Kleinreden des Faschismus zugunsten der Seemannskultur in der Gegenwart höchst zweifelhaft. Einer „postfaschistischen“ Regierung könnten solche Signale ebenfalls gefallen.
De Angelis hätte sich mehr zutrauen und seine Hauptfigur weniger heldenhaft zeichnen können. Der paradoxe Effekt von „Comandante“ ist: So sehr man vom ehrenhaften Verhalten Todaros gerührt sein mag, so misstrauisch wird man gegenüber der emotionalen Manipulation des Films.
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