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Harte Kontraste

Wieder einmal steht der Görli im Mittelpunkt einer Gewaltdebatte. Ein Spaziergang durch den Park mit der Frage: Wie sicher fühlen sich Ber­li­ne­r*in­nen im Görlitzer Park?

Von Marlena Wessollek

An diesem bewölkten Nachmittag unter der Woche ist nicht viel los im Görlitzer Park: Einige Menschen gehen mit Hunden spazieren, manche durchqueren den Park auf Rädern, andere zu Fuß. Auf den Rasenflächen sitzen vereinzelt Paare und Gruppen, die picknicken.

Eine Besucherin ist die 31-jährige Victoria König, die in der Nähe des Parks wohnt. „Ich fühle mich sicher. Es ist schräg, weil man viel von Drogenhandel mitbekommt. Aber ich wurde noch nie von jemandem angesprochen oder belästigt“, sagt sie. Ein Stück entfernt spaziert Julia S. Sie ist 64 Jahre alt und wohnt seit 18 Jahren am Görlitzer Park. „Ich war sehr schockiert, als ich von der Vergewaltigung gehört habe, das finde ich schlimm. Ich bin hier immer nachts durchgelaufen, auch wenn ich beschwipst war. Wahrscheinlich werde ich zweimal drüber nachdenken, bevor ich jetzt nachts alleine durch den Park gehe.“ Den Park abzusperren, wie es in anderen Großstädten wie Paris üblich ist und nun durch Po­li­ti­ke­r*in­nen gefordert wurde, sei laut Julia S. aber keine Lösung. Dann verlagere sich das Problem auf die Wrangelstraße.

Die Polizeipräsenz, sagt einer, mache den Park nicht unbedingt sicherer

Die 28-jährige Mona Schwan, ebenfalls Anwohnerin, führt ihren Hund aus und läuft nur einen kurzen Abschnitt durch den Park, weil das der schnellste Weg nach Hause ist. Sicher fühle sie sich hier nie, zu keiner Tageszeit. Zwar habe sie noch keine körperliche Auseinandersetzung im Park erlebt, aber übergriffige Kommentare, aufdringliches Verhalten oder Hinterhergehen. Um wirklich etwas an der Situation zu ändern, brauche es ihrer Ansicht nach strukturelle Veränderungen. „Ich glaube, dass auch das Justizsystem ein bisschen schuld daran ist, nicht nur die Politik, da viele leider auch nach Straftaten relativ schnell wieder freikommen beziehungsweise da nichts so richtig greift, um ein Statement zu setzen.“

Der 20-jährige Linus Bolz studiert nahe am Görlitzer Park. Er ist mit Kommilitonen unterwegs. „Wenn ich hier durchgehe, habe ich keine Angst, weil ich nicht das Gefühl habe, dass ich die Zielgruppe bin.“ Unangenehmer sei es im Park, „wenn Polizei am Tor steht und hier nichts mehr los ist“, findet die Gruppe. Eine mögliche Maßnahme für mehr Sicherheit könnte ein Polizeistandort in der Nähe sein statt Razzien und temporäre Polizeistationen.

Eine Person, die regelmäßig im Park arbeitet und nicht namentlich genannt werden möchte, sieht das kritischer. „Polizeipräsenz ist voll der falsche Ansatz. Hier arbeiten verschiedene Initiativen zur Drogenhilfe wie Fixpunkt, CoLab, auch die Parkranger. Die sind im engen Kontakt mit allen möglichen Leuten, und nur so kann’s funktionieren. Da braucht es mehr Zusammenarbeit.“ Die Polizeipräsenz mache den Park nicht unbedingt sicherer, im Gegenteil. „Die Polizei kontrolliert nur schwarze Menschen, und es ist offensichtlich Racial Profiling und sehr gewaltvoll.“

Weiter vorn am Eingang parkt gerade ein Transporter, der sogenannte „Spielwagen“, der einmal die Woche Spielmaterialien und Betreuungsangebote für Kinder bereitstellt. Die 27-jährige Helen Jahnel ist mit einer Kreuzberger Grundschule vor Ort und nutzt das Angebot in der Ferienzeit. „Hier, gerade wenn das Angebot des Spielwagens stattfindet, ist es immer sehr entspannt und idyllisch im Vergleich dazu, was sonst auf der Wiese stattfindet. Man kennt ja den Görli sonst eher rough, gerade wenn man weiter reingeht. Aber hier ist es sehr kinderfreundlich, was ein cooler Kontrast ist.“

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