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Unwetter in BerlinZu Hause bleiben für alle

Jonas Wahmkow
Kommentar von Jonas Wahmkow

Am Montagabend zog ein schweres Unwetter durch Berlin. Aus der sicheren Wohnung ein beeindruckendes Spektakel, für Obdachlose eine ernste Gefahr.

Keine sichere Umgebung: Am Montagabend stürzten vielerorts Äste und Bäume auf die Straße Foto: dpa

E s sieht nach Regen aus, denke ich mir während ich beim abendlichen Spaziergang auf die dunkle Wolkenfront blicke, die sich gerade über dem Fernsehturm formiert. Umdrehen und heimkehren ist wohl die bessere Option. Wenigen Minuten später, zu Hause in der schützenden Wohnung, fängt es tatsächlich an, wie in Sturzbächen zu regnen. Draußen herrscht Weltuntergangsstimmung, Wind und Regen peitschen von allen Seiten durch die Straßen. Eigentlich ein ganz faszinierender Anblick von hier aus dem Trockenen. Wie gut, dass ich jetzt nicht auf der Straße bin, denke ich mir.

Wenige Minuten später meldet sich eine Freundin: „Geht’s euch allen gut?“, fragte sie im Gruppenchat, „Bei uns sind fünf Bäume im Innenhof umgefallen und ein Teil vom Dach ist auf die Straße geflogen samt Regenrinne.“

Das Gewitter, das am Montagabend über Berlin zog, war kurz und heftig, aber im Vergleich zu den vergangen Jahren nicht außergewöhnlich stark. Trotzdem meldete die Berliner Feuerwehr zahlreiche Schäden: In Marienfelde ist eine Lagerhalle unter den Wassermassen eingestürzt, überall in der Stadt entwurzelte der Sturm Bäume, wie in Charlottenburg, wo ein Baum auf eine Bushaltestelle stürzte und zwei Menschen verletzte. Insgesamt 391 Mal mussten die Be­am­t:in­nen ausrücken.

Kurz, es ist durchaus ratsam, die „oberste Regel“, der Berliner Feuerwehr in ihrem Gewitterratgeber zu befolgen: „Bleiben Sie möglichst zu Hause, hier ist es am sichersten!“ Doch was ist eigentlich mit denen, die kein Zuhause haben?

Kaum Zufluchtsmöglichkeiten

„Solche Gewitter wie gestern sind verheerend für die Menschen auf der Straße“, erklärt Heiko Linke, Sprecher von der Berliner Stadtmission am Dienstag der taz. Abgesehen von der Gefahr herunterfallender Äste und Bäume, hätten Obdachlose noch viel länger mit durchnässter Kleidung und Schlafsäcken zu kämpfen. Nicht selten hätte das Erkältungen und Lungenentzündungen zur Folge.

Angebote der Obdachlosenhilfe gibt es in solchen Fällen kaum. Außerhalb der Kältesaison sind viele Einrichtungen geschlossen. Gewitter, die so spontan und unverhofft auftreten wie am Montag, lassen Betroffenen kaum genug Zeit, rechtzeitig Angebote in der Nähe aufzusuchen.

Dazu käme, dass es für viele Menschen auf der Straße schwierig wäre, einfach mal in einem Café Zuflucht zu finden, weil sie dort oft keinen Zugang hätten, berichtet Linke.

Mit steigenden Temperaturen im Zuge der Klimakrise wird auch die Häufigkeit und Schwere von Gewittern zunehmen. Höchste Zeit also, alle Be­woh­ne­r:in­nen der Stadt unwetterfest zu machen – am besten, mit einem eigenen Dach über dem Kopf.

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Jonas Wahmkow
Redakteur für Arbeit und Soziales im Berlin Ressort.
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