Kampf gegen Korruption in Nigeria: Der „Tinubu-Wirbelsturm“
Nigerias Präsident Bola Tinubu setzt den Chef der Antikorruptionsbehörde ab. Zusammen mit dem Chef der Zehntralbank sitzt er nun in Haft.
Ob Tinubu damit den Kampf gegen Korruption konsequent vorantreibt oder einfach hohe Amtsträger aus der Zeit seines Vorgängers Muhammadu Buhari entfernt, ist eine Frage der politischen Perspektive.
Präsidentensprecher Willie Bassey sagte, Bawa sei suspendiert worden, um Ermittlungen zu ermöglichen, „infolge schwerwiegender Anschuldigungen des Amtsmissbrauchs“. Das EFCC-Direktionsmitglied Abdulkarim Chukkol übernimmt vorläufig die Leitung der Behörde. Anders als im Falle Emefiele bestätigte der Geheimdienst Bawas Festnahme sofort.
Antikorruptionschef wollte gegen Tinubu ermitteln
Zwei so hochkarätige Amtsenthebungen innerhalb weniger als einer Woche sorgen für politische Kontroversen. Tinubu, sagen manche, konsolidiert nach seiner Amtsübernahme am 29. Mai nun seine Macht auf Kosten der Buhari-Getreuen an der Staatsspitze, die ihn ursprünglich als Präsidentschaftskandidaten der Regierungspartei APC (All Progressives Congress) für die Wahlen im Februar ablehnten.
Victor Onah, Analyst
Tinubu war von 1999 bis 2007 Gouverneur des Bundesstaates Lagos. Der jetzt suspendierte EFCC-Chef Bawa wollte 2020, als er noch das Antikorruptionsbüro in Lagos leitete, gegen Tinubu ermitteln. Dies hätte Tinubus präsidiale Ambitionen schon damals im Keim ersticken können.
Kritiker sprechen nun von einem „Tinubu-Wirbelsturm“, den so eigentlich niemand erwartete. „Es sind interessante Zeiten für Nigeria“, sagt der politische Analyst Victor Onah. „Ernsthafte Säuberungen sind im Gange. Ich denke, der Präsident versucht, seine erneute Kandidatur schmackhaft zu machen für den Fall, dass die Gerichte seine Wahl annullieren und Neuwahlen ansetzen.“ Die wichtigsten Gegenkandidaten Tinubus bei den Wahlen im Februar, Exvizepräsident Atiku Abubakar von der PDP (People’s Democratic Party) und Exgouverneur Peter Obi von der LP (Labour Party), klagen derzeit noch gegen den Wahlausgang und werfen der Wahlkommission Inec Unregelmäßigkeiten vor.
Wer wird als nächstes suspendiert?
Nun stellt sich die Frage, ob Tinubu als nächstes Inec-Vorsitzenden Mahmoud Yakubu suspendiert. „Nigerianer hätten es gern, dass er den Inec-Vorsitzenden für die missratene und gefälschte Wahl hinauswirft“, sagt der Analyst Yusuf Adejo. „Sonst sind all die anderen Absetzungen bloß eine persönliche Vendetta.“
Ähnlich äußerte sich Olisa Agbakoba, ehemaliger Präsident der nigerianischen Anwaltsvereinigung. „Glückwunsch an Präsident Tinubu dafür, dass er Emefiele, Bawa, Benzinsubventionen und Devisenkorruption abgeschafft hat. Die endemische Korruption hat einen schweren Schlag erlitten“, sagte er. Nun sei Inec an der Reihe. „Alle werden zustimmen, dass die Wahlen 2023 logistisch die schlechtesten unserer Geschichte waren.“
Bawa war 2021 als EFCC-Chef auf Ibrahim Magu gefolgt, der wegen Korruption angeklagt und schließlich freigesprochen wurde. Nun stellt sich die Frage, wer auf Bawa folgt. Die letzten EFCC-Leiter kamen alle aus Nigerias Norden. Nun sagen manche, der Süden sei an der Reihe.
Derweil ist in den nächsten Tagen wegen der Absetzungen mit Protesten zu rechnen, wenn Exzentralbankchef Emefiele dem Haftrichter vorgeführt wird. Der Geheimdienst DSS hat erklärt, einige „illoyale“ Mitarbeiter wollten Unruhen schüren, weil sie mit Emefieles Absetzung unzufrieden seien. DSS-Sprecher PEter Afunaya sprach von „billiger Propaganda“ und Falschinformationen im Zusammenhang mit Emefieles Festnahme. Anders als von manchen berichtet habe der Banker in der Haft vom ersten Tag an Zugang zu Ärzten und zu Besuchern erhalten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Umgang mit nervigen Bannern
Bundesrat billigt neue Regeln für Cookies