Nigerias Zentralbankchef in Haft: Top-Banker als Sündenbock

Mit der Inhaftierung von Zentralbankchef Godwin Emefiele setzt Nigerias neuer Präsident ein klares Zeichen. Doch es trifft womöglich den Falschen.

Godwin Emefiele spricht in ein Mikrofon. Hinter ihm stehen weitere Männer

Nigerias Zentralbankchef Godwin Emefiele während einer Pressekonferenz im Januar dieses Jahres Foto: Olukayode Jaiyeola/NurPhoto/imago

ABUJA taz | Vor wenigen Monaten war Godwin Emefiele einer der mächtigsten Männer Nigerias, wenn nicht ganz Afrikas. Er leitete die Zentralbank der größten Volkswirtschaft des Kontinents und er wollte Präsident werden.

Heute sitzt der 61-Jährige in Haft. Emefiele ist das erste prominente Opfer des neuen nigerianischen Präsidenten Bola Tinubu, der am 29. Mai sein Amt antrat und versprach, mit Korruption und Misswirtschaft aufzuräumen.

Emefiele wurde am vergangenen Freitag als Gouverneur der Central Bank of Nigeria (CBN) suspendiert und angewiesen, sein Amt an seinen Stellvertreter Folashodun Adebisi Shonubi zu übergeben. „Die Suspendierung ist die Folge laufender Ermittlungen und auch der geplanten Reformen im Finanzsektor“, sagte Regierungssprecher Willie Bassey.

Seine Verhaftung war kontroverser. Gerüchte darüber zirkulierten bereits am Samstag. Die Staatssicherheit DSS (Department of State Services) sagte erst, sie wisse davon nichts. Dem Geheimdienst wird seit langem vorgeworfen, eigenen Gesetzen zu folgen und als verlängerter Arm der jeweiligen Regierung gegen Kritiker zu dienen.

Jegliche Vorsicht verschwand

Am Samstagabend erklärte DSS-Chef Peter Afunanya schließlich, der Exgouveneur sei tatsächlich in Gewahrsam, „aus Ermittlungsgründen“. Er fuhr fort: „Die Öffentlichkeit, insbesondere die Medien, sind aufgefordert, bei Berichten hierüber größtmögliche Vorsicht walten zu lassen.“

Daraufhin verschwand jegliche Vorsicht in der Öffentlichkeit. „Wir sehen diese Entwicklung als offensichtlichen Bestandteil eines Plans der neuen Administration, eine ethnische Säuberung von Igbos aus öffentlichen Ämtern durchzuführen“, protestierte der Kulturverband Ohanaeze Ndi Igbo, traditioneller Dachverband der Volksgruppe der Igbo, der drittgrößten Volksgruppe in dem rund 221 Millionen Einwohner zählenden Nigeria – die einzige der drei großen, die seit Wiederherstellung der zivilen Herrschaft 1999 noch nie den Präsidenten gestellt hat. Emefiele ist Igbo, Tinubu ist Yoruba. Beide kommen aus Nigerias größter Stadt Lagos. Tinubu ist Muslim und Emefiele Christ.

„Dies ist eine Hexenjagd gegen die Igbos aus keinem anderen Grund, als dass sie sich trauten, sich bei den letzten Wahlen gegen die neue Administration zu stellen“, erklärte Ohanaeze Ndi Igbo weiter. Das sei gefährlich für den ethnisch gespaltenen Vielvölkerstaat Nigeria, in dem Tinubus Wahlsieg im Februar immer noch vor Gericht verhandelt wird.

Man wolle sich nicht in Justiz einmischen

Doch wenig später zog Ohanaeze Ndi Igbo diese Erklärung zurück und sagte, man wolle sich nicht in die Justiz einmischen. Femi Fani-Kayode von der Regierungspartei APC (All Progressives Congress) lobte die Verhaftung als „Manifestation heroischer, mutiger und entschlossener Führung durch unseren neuen Präsidenten“.

Was Emefiele genau vorgeworfen wird, ist unklar. Der seit 2014 amtierende Zentralbankchef, der als bisher erster 2019 eine zweite Amtszeit antreten durfte, verantwortete die heftig kritisierte Aktion, kurz vor den Wahlen die bisherigen nigerianischen Geldscheine aus dem Verkehr zu ziehen und einen Neudesign einzuführen. Das sollte illegale Wahlkampffinanzierung und Stimmenkauf unterbinden.

Das neue Geld wurde aber in zu geringer Menge in Umlauf gebracht. Unzählige Menschen hatten plötzlich gar kein Geld mehr und Emefiele musste die alten Scheine wieder zulassen.

Emefiele als Bauernopfer

Emefiele praktizierte auch eine interventionistische Währungspolitik. Um den nigerianischen Naira zu stützen, pumpte die Zentralbank US-Dollar in Milliardenhöhe in die nigerianische Wirtschaft und führte ein duales Wechselkurssystem ein.

Laolu Akande, ehemaliger Sprecher des Vizepräsidenten, warf dem Exzentralbankchef „kolossalen Schaden“ vor. Er sprach von „offensichtlicher Korruption beim dualen Wechselkurs, der nie Sinn gemacht hat“.

Viele Kommentatoren halten Emefiele nun für ein Bauernopfer – gegen seinen Vorgänger Muhammadu Buhari, der acht Jahre lang regierte, könne Tinubu, der der gleichen Partei angehört, nicht direkt vorgehen. “Emefiele diente einem Präsidenten“, sagt Ökonom Godwins Nduka. „Er hat nicht Trillionen Naira zum persönlichen Gebrauch gedruckt. Präsident Buhari bat ihn, das zu tun. Sogar Buhari bekannte sich zum Naira-Neudesign.“

Auch Kommentator Shehu Gazali Sadiq sieht in Emefiele ein Opfer. „Wann wird Buhari, der Ober-Kleptokrat, verhaftet? Wenn Buhari frei ist, sollte Emefiele frei sein.“ Expräsidenten genießen in Nigeria jedoch Immunität.

Menschenrechtsanwalt Inibehe Effiong meint, Tinubu könne den Zentralbankchef nicht einfach absetzen. Das müsse der Senat tun, das Oberhaus des nigerianischen Parlaments.

Bereits im Dezember Haftbefehl gegen Emefiele

Es gibt noch weitere Dimensionen. Als im regierenden APC 2022 um die Nachfolge des scheidenden Präsidenten Buhari gerungen wurde, ließ auch Emefiele Ambitionen erkennen. Dies ärgerte das Lager des Favoriten Tinubu, der am Ende das Rennen um die APC-Präsidentschaftskandidatur machte. Vor Gericht wurde Emefieles Kandidatur für unzulässig erklärt.

Nach einem Bericht der Premium Times beantragte Nigerias Geheimdienst bereits im Dezember 2022 Haftbefehl gegen Emefiele wegen „Terrorfinanzierung, Betrug und Wirtschaftskriminalität“ Er habe, so der Vorwurf, Gelder an die bewaffneten Separatisten der IPOB (Indigenous People of Biafra) geleitet, die für die Wiedergeburt des kurzlebigen Igbo-Staates Biafra im Südosten Nigerias von 1967–1970 kämpft und als Terrororganisation eingestuft wird. Der Haftrichter lehnte den Haftbefehl aber ab, da eine Zustimmung von Präsident Buhari dafür nicht vorliege.

Emefiele ist nicht der erste Zentralbankchef, der unter die Räder der nigerianischen Politik gerät. Sein Vorgänger Sanusi Lamidu Sanusi wurde 2014 vom damaligen Präsidenten Goodluck Jonathan suspendiert und vom Geheimdienst verhaftet. Vor Gericht aber gewann er und wurde als Emir von Kano einer der höchsten muslimischen Würdenträger Nigerias.

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