piwik no script img

„Hin zur Landwirtschaft als Ökosystem“

Regenerative Landwirtschaft will Böden wieder beleben. Der könnte so widerstandsfähiger werden, glaubt die Biologin Felicidad de Herralde

Interview Reiner Wandler

taz: Señora de Herralde, was für Vorteile hat der regenerative Weinbau?

Felicidad de Herralde: Die regenerative Landwirtschaft ist eine sehr neue Art die Böden zu bestellen. Alles deutet daraufhin, dass sie hilft, die Auswirkungen des Klimawandels zu lindern.

International gibt es bereits einige Forschungsprojekte zum Thema. Was haben die ergeben?

Viele der Projekte sind erfolgreich, was die Wiederbelebung der Böden angeht. Allerdings müssen wir eines sehen: Diese Projekte befinden sich alle in wesentlich wasserreicheren Gebieten, als die meisten Teile Spaniens es sind. Zwei Drittel des Weinbaus in Spanien kommt ohne Bewässerung aus. Es geht darum zu erforschen, inwieweit die regenerative Landwirtschaft auch bei trockenen Böden funktioniert. Lassen die sich mit Mikroorganismen und Ähnlichem wiederbeleben?

Um was genau geht es da?

Es geht darum, Böden, in die alles hineingekippt wurde, was die Pflanzen vermeintlich brauchen, um dann alles herauszunehmen, was Gewinn verspricht, wieder zu Böden zu machen, die leben und sich selbst regulieren – hin zur Landwirtschaft als Ökosystem. Das stellt einen Paradigmenwechsel dar.

Inwiefern?

Gehen wir hundert Jahre zurück. Damals gab dir die traditionelle Landwirtschaft das, was in deiner Umgebung wuchs und angebaut werden konnte. Mit der sogenannten Grünen Re­volution konnten die Landwirte mittels Chemie den Input an Nährstoffen erhöhen und aus denselben Böden wesentlich mehr herausholen. Jetzt geht es darum, dass jeder Anbau eine Art eigenes Ökosystem ist – das heißt lebendige Böden mit höherem organischem Anteil und Mikroorganismen, die mit weniger Input und wenn möglich ganz ohne Chemie auskommen.

Sollten wir unser Konzept von Boden neu definieren?

Wir müssen wieder lernen zu verstehen, dass der Boden nicht nur Stein und Erde ist. Damit wir von Boden reden können, muss er eine Beschaffenheit haben, die sich über lange Zeit dank der Mikroorganismen und Pflanzen herausbildet. In den letzten Jahrzehnten wurde alles plattplaniert und ständig umgepflügt, damit wir dort mit Maschinen arbeiten und mehr Gewinn erzielen können. Das hat den ursprünglichen Boden mit der Ablagerung organischer Bestandteile zerstört. Das gilt es zu regenerieren.

Inwiefern ist Wiederbelebung der Böden eine Antwort auf den Klimawandel?

Mit der herkömmlichen Landwirtschaft haben wir den natürlichen Zyklus der Nährstoffe, der organischen Bestandteile in den Böden, völlig durcheinandergebracht. Wenn wir die Böden wiederbeleben, können diese Prozesse, diese Zyklen wieder selbstständig funktionieren. Wir haben dann wieder Mikroorganismen in den Böden, die Nährstoffe bereitstellen.

Bindet die regenerative Technik tatsächlich CO2 im Boden?

Es geht ja darum, organisches ­Material durch die Bodenbegrünung zu erzeugen und dies in den ­Böden ­anzureichern. Dort sollen dann ­Mikro­organismen leben. All das ist CO2. Wir müssen bedenken, dass der Boden jedes Mal, wenn er tief umgepflügt wird, um Unkraut zu vernichten, geöffnet und somit CO2 freisetzt wird. Die regenerative Land­wirtschaft verzichtet darauf weit­gehend.

Foto: privat

Felicidad de Herralde

promovierte Biologin, forscht zum Weinbau am Institut für Agrarlebensmitteltechnologie und -forschung in Barcelona

Und funktioniert es?

Wir untersuchen, ob das CO2, das über die ­Erhöhung der organischen Bestandteile der Böden gespeichert wird, dort langfristig verbleibt oder wieder freigesetzt wird. Das hängt nicht zuletzt davon ab, was für Mikroorganismen in den Böden angesiedelt werden können.

Das Hauptproblem hier im Mittelmeerraum ist die zunehmende Trockenheit.

Der nackte Boden, wie wir ihn heute haben, ist wie ein Schwamm mit sehr großen Poren. Der regenerierte Boden ist wie ein Schwamm mit feinen Poren und kann natürlich mehr Wasser speichern. Die regenerativen Praktiken sorgen dafür, dass das Wasser besser aufgenommen wird und dass die Boden­ero­sion zurückgeht.

Man braucht also trotzdem mehr Niederschlag, damit der Boden eine Chance hat?

In den kommenden Jahren muss sich zeigen, ob mit dem wenigen Regen, den wir haben, eine dauerhafte Bodenbegrünung und die Schaffung eines Ökosystems mit Mikroorganismen in den Böden Erfolg hat. Das ist ein sehr langsamer Prozess und wir wissen auch nicht, wie genau die Böden früher waren. Hinzu kommt, dass wir heute nicht die gleichen Umweltbedingungen vorfinden wie vor zehn oder zwanzig Jahren. Damals wäre es sicher leichter gewesen, die Böden wiederzubeleben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen