Die Linke hat die Faxen dicke von Wagenknecht

Nach dem Bruch des Linken-Vorstands mit Sahra Wagenknecht keilen deren Unterstützer gegen die Parteiführung, inklusive Rücktrittsforderung. Andere loben den Schritt

Haben sich nicht mehr viel zu sagen: Parteichefin Janine Wissler und Nochparteimitglied Sahra Wagenknecht Foto: Fo­to: Hannibal Hanschke/dpa/picture alliance

Aus Berlin Pascal Beucker

Die Zeit von Sahra Wagenknecht in der Linken neigt sich dem Ende zu. Jetzt hat der Parteivorstand öffentlich den politischen Bruch mit ihr vollzogen. „Die Zukunft der Linken ist eine Zukunft ohne Sahra Wagenknecht“, heißt es in einem am Samstag einstimmig gefassten Beschluss. Anlass für die Entscheidung sei, dass die Ex-Bundestagsfraktionsvorsitzende „der Aufforderung, eindeutig von einem konkurrierenden Parteiprojekt Abstand zu nehmen, bis heute nicht nachgekommen“ ist.

„Der Bruch ist da, und wir planen ohne sie“, sagte die Parteivorsitzende Janine Wissler in einer Sitzungspause vor der Berliner Parteizentrale. Es habe immer wieder Bemühungen gegeben, Wagenknecht und ihren Mit­strei­te­r:in­nen „Brücken zu bauen“, um eine gemeinsame Grundlage zur Zusammenarbeit zu finden. Doch all diese Versuche seien vergeblich gewesen.

Jetzt sei eine Entscheidung getroffen worden, „die Zukunft der Partei zu gestalten, und zwar ohne diejenigen, die im Moment aktiv an einem Konkurrenzprojekt arbeiten“, sagte der Co-Vorsitzende Martin Schirdewan. Damit würde nun ein Kapitel geschlossen, „das uns viel zu lange gequält hat“.

Ausgangspunkt für den Vorstandsbeschluss war ein Treffen des geschäftsführenden Parteivorstands mit Wagenknecht sowie den beiden Fraktionsvorsitzenden Dietmar Bartsch und Amira Mohamed Ali am 25. Mai im Karl-Liebknecht-Haus. Bei dem vertraulichen Gespräch hatten Wissler und Schirdewan Wagenknecht ein Ultimatum gesetzt, zeitnah und öffentlich von der Gründung eines konkurrierenden Parteiprojektes Abstand zu nehmen und entsprechende Vorbereitungen umgehend einzustellen.

Doch dazu ist Wagenknecht nicht bereit. Stattdessen bestätigte sie am Freitag in einem Interview mit Springers Welt TV, dass sie an Gesprächen über eine mögliche Parteineugründung beteiligt ist. Eine Entscheidung über ihre politische Zukunft werde sie bis zum Jahresende treffen.

Die öffentlichen Ankündigungen Wagenknechts, die Gründung einer konkurrierenden Partei zu prüfen, „stellen die Einheit der Linken in Frage und schaden uns seit geraumer Zeit massiv“, heißt es dazu in dem Vorstandsbeschluss. So häuften sich parteiintern Berichte, dass bereits Vorbereitungen zur Gründung eines konkurrierenden Parteiprojekts getroffen werden.

In seinem Beschluss fordert der Parteivorstand Wagenknecht und ihre Mit­strei­te­r:in­nen zur Rückgabe ihrer Mandate auf. Schließlich seien alle Linken-Abgeordneten auf Wahlvorschlag der Linkspartei in die Parlamente gewählt wurden. Es sei daher „ein Gebot des politischen Anstandes und der Fairness gegenüber den Mitgliedern unserer Partei, wenn diejenigen, die sich am Projekt einer konkurrierenden Partei beteiligen, konsequent sind und ihre Mandate zurückgeben“. Eine Partei könne es nicht hinnehmen, „dass aus ihr heraus, aus Ressourcen, die über linke Mandate zur Verfügung stehen, eine neue Partei gegründet wird“, sagte dazu Parteichefin Wissler. Der Vorstand kämpfe um die Einheit der Partei und gegen alle Versuche, sie zu spalten.

Unklar ist, wie die Führung der Bundestagsfraktion mit dem Beschluss des Parteivorstands umgehen wird. Sie würden „sehr angeregt und sehr intensiv“ mit der Fraktionsspitze diskutieren, „wie entsprechende Maßnahmen aussehen können, um diese Partei vor einem Konkurrenzprojekt zu schützen“, antwortete Schirdewan auf Nachfrage nur etwas blumig. Er gehe davon aus, dass der Beschluss auch „in weiten Teilen der Bundestagsfraktion“ auf Zustimmung stoßen werde.

Das Problem der Partei: Um den Fraktionsstatus nicht zu gefährden, hält die Fraktionsspitze bislang auf Teufel komm raus an Wagenknecht fest. So verkündete Bartsch erst unlängst in einem Interview: „Ich werbe dafür, dass man sie für den Erfolg der Linken nicht nur einbindet, sondern sie zu einem wichtigen Bezugspunkt macht und ihre Fähigkeiten nutzt.“ Noch am vergangenen Montag hatte er in einem Interview mit dem Deutschlandfunk sogar – nach mehrmaligem Nachfragen – die Fristsetzung an Wagenknecht vehement bestritten. „Ich kenne kein Ultimatum“, behauptete er.

Über Fraktionspressesprecher Michael Schlick ließ Bartsch am Donnerstag allerdings auch gegenüber der taz dementieren, er habe auf dem Treffen – unterstützt von Mohamed Ali – deutlich gemacht, dass nach seiner Auffassung Wagenknecht selbst bei einem Parteiaustritt Mitglied der Fraktion bleiben könne. Eine entsprechende Äußerung von ihm habe es nicht gegeben, teilte er mit.

Das hatte die taz auch nicht geschrieben. Schließlich bedurfte es eines solchen Wortbeitrags gar nicht. Die Botschaft ist auch so angekommen. Tatsächlich soll sich seine Co-Fraktionsvorsitzende Mohamed Ali auf dem Treffen entsprechend geäußert haben – und zwar ohne Widerspruch von Bartsch. Was als Zustimmung gewertet werden kann. Die Äußerungen von Mohamed Ali hätten sie „aus den Socken gehauen“, sagte eine Person, die bei dem Treffen anwesend war, der taz.

Den Beschluss des Parteivorstands kritisierte Mohamed Ali am Samstag heftig. Sie halte ihn „für einen großen Fehler und einer Partei unwürdig, die sich Solidarität und Pluralität auf die Fahnen schreibt“, twitterte sie.

Bartsch ließ Fragen der taz, was er von dem Vorstandsbeschluss und der heftigen Kritik seiner Co-Vorsitzenden hält, bis Redaktionsschluss unbeantwortet. So gab er auch keine Auskunft darüber, welche Folgen der Beschluss aus seiner Sicht für die Linksfraktion hat.

Dass es den Kreis um Wagenknecht längst zu anderen Ufern zieht, dokumentiert indes die Reaktion des nordrhein-westfälischen Abgeordneten Christian Leye. „Die Zukunft der Linken ist eine Zukunft ohne politische Bedeutung“, twitterte der Vertraute Wagenknechts und frühere Mitarbeiter in ihrem Wahlkreisbüro. Das „Manöver“ des Parteivorstands sei „ein weiterer Schritt Richtung Abgrund“. Da dürfe man „sich nicht wundern, wenn die Party irgendwann draußen steigt“.

Unklar ist, wie die Fraktionsspitze mit dem Beschluss des Parteivorstands umgehen wird

Der ebenfalls zum Wagenknecht-Lager zählende bayerische Abgeordnete Klaus Ernst wetterte: „Wer so einen Beschluss fasst, verdient es, unterzugehen.“ In einer gemeinsamen Erklärung mit seinem rheinland-pfälzischen Kollegen Alexander Ulrich forderte er den Parteivorstand zum geschlossenen Rücktritt auf.

Demgegenüber stärkte der baden-württembergische Bundestagsabgeordnete Bernd Riexinger dem Vorstand demonstrativ den Rücken. „Jetzt ist Schluss mit lustig“, sagte Riexinger dem Redaktionnetzwerk Deutschland (RND). Wagenknecht sei ein Ultimatum gestellt worden, das sie nicht ernst genommen habe. „Deshalb ist das ein sehr guter Beschluss und die richtige Zeit, klare Verhältnisse zu schaffen“, sagte der frühere Parteivorsitzende.

Unterstützung kommt auch aus den Ländern. „Wer sein Mandat innerhalb eines Parlamentes missbraucht, um eine Konkurrenzpartei zu gründen, der sollte seine Sachen packen und gehen“, schrieb Sachsens Landtagsfraktionschef Rico Gebhardt.

Der Vorstandsbeschluss sei „das, was eine Partei machen muss, der ihre Würde noch was wert ist“, konstatierte der Bremer Landesvorsitzende Christoph Spehr. „Jetzt liegt der Ball bei der Bundestagsfraktion“, fügte er hinzu.