: Rettungswagen im Klebe-Stau
Eine Liste der Berliner Feuerwehr zeigt Verzögerungen durch Blockaden von Aktivist:innen
Von Jannik Grimmbacher
Während mehrere Bundesländer prüfen, ob die Letzte Generation als „kriminelle Vereinigung“ eingestuft werden kann, kommt zunehmend Kritik von Rettungsdiensten an den Klimaaktivist:innen. Marcel Schlesinger, Notfallsanitäter beim Deutschen Roten Kreuz, sagt, er könne zwar verstehen, dass Menschen wegen des Klimawandels verzweifelt sind. “Aber wenn deshalb Menschenleben auf dem Spiel stehen, hört mein Verständnis auf.“ Einmal sei er in einer Klebeblockade zum Stehen gekommen. Nach einer Weile konnte die Polizei den Weg durch die Autos frei machen und die Aktivist:innen in der Mitte wegtragen, berichtet der 36-Jährige. „Aber wenn man da so steht und erstmal nichts machen kann, während hinten ein Patient drin liegt, ist das kein gutes Gefühl“.
Laut einem Bericht des Tagesspiegel führt die Berliner Feuerwehr seit Juni vergangenen Jahres eine Liste über Behinderungen von Rettungswagen durch Straßenblockaden. Demnach verzögerte sich der Transport eines Menschen mit Atembeschwerden um 26 Minuten, ein Suizidgefährdeter kam 66 Minuten später in der Klinik an und eine Frau mit Fehlgeburt wurde 14 Minuten aufgehalten. Insgesamt belaufe sich die Verzögerung der Einsätze auf 20 Stunden.
Vasili Franco, Innenexperte der Grünenfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, kritisiert, dass die Feuerwehr lediglich zu Klimablockaden eine Liste führt. „Natürlich ist es wichtig, dass darüber diskutiert wird, wie Rettungsgassen sichergestellt werden. Aber das passiert eben nur bei den Blockaden und nicht bei alltäglichen Staus, Falschparken oder Veranstaltungen“. Dadurch werde der Rettungsdienst für politische Zwecke instrumentalisiert. „Dabei machen die Aktivist:innen darauf aufmerksam, dass die aktuelle Klimapolitik Menschenleben kostet.“ Klimaschutz sei daher auch im Interesse der Rettungskräfte.
Der Sprecher der Deutschen Feuerwehrgewerkschaft Manuel Barth verteidigt die Liste. Dass sie politisch sei, liege in der Natur der Sache, da die Klebeblockaden selbst politisch seien. Auch die Erfassung von anderen Behinderungen findet er nicht zielführend. „Man kann sein eigenes Fehlverhalten nicht durch das Fehlverhalten von Falschparkern oder anderen rechtfertigen“, argumentiert Barth. Berlins Justizsenatorin Felor Badenberg (parteilos) hatte die Behinderung der Einsatzkräfte als wichtigsten Grund genannt, weswegen sie prüfen wolle, ob die Letzte Generation eine „kriminelle Vereinigung“ darstelle.
Derweil rufen die Aktivist:innen weiter zu Aktionen auf. Am Mittwoch sollten Protestmärsche in 13 Städten stattfinden. Dabei wird der Verkehr durch Langsamlaufen aufgehalten. In Berlin wollten die Demonstranten auch zum Kanzleramt ziehen, um Olaf Scholz (SPD) einen Offenen Brief zu übergeben. Darin wird er aufgefordert, einen zufällig gelosten Gesellschaftsrat einzuberufen. Ab Montag kommender Woche will die Gruppe mit einer Kampagne auf den Lebensstil der Superreichen und dessen Folgen für das Klima aufmerksam machen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen