Ausstellung zu Musik und KI in Hamburg: Staunen, unaufgelöst

Musik und Künstliche Intelligenz: Die Hamburger Ausstellung „Can You Hear It?“ stellt ihre beiden Gegenstände nebeneinander – aber nicht viel mehr.

Eine blonde Frau hat einen Kopfhörer auf, im Hintergrund hängt ein altmodisches tasrninstrument an der Wand

Hörst du's auch? Museumsbesucherin, lauschend, vor altem Musikinstrument Foto: Daniel Müller/MK&G

Es muss schon etwas passiert sein, damit sich ausgerechnet das Hamburger Abendblatt auf Adorno besinnt. Der habe, so war es spät im Mai zu lesen, „schon 1944 weitsichtig seinen kapitalismuskritischen Klassiker ‚Kulturindustrie – Aufklärung als Massenbetrug‘ über die Ware Kreativität“ geschrieben. Womit nun aber nicht, sagen wir: die mal mehr, mal weniger ausgeprägte Gemischtwarenhaftigkeit des Programms im schönsten Konzerthaus am Platze beklagt werden sollte. Nein, die Jahresprogramm-PK der Elbphilharmonie war dann auch diesmal wieder einen Ankündiger auf der Titelseite wert, das ist man dem Kreativ-, pardon, Künste-Standort schuldig.

Es stieß sich der Chef-Kulturreporter vielmehr an der damals frisch eröffneten Ausstellung im Museum für Kunst & Gewerbe, „Can You Hear It? Musik und Künstliche Intelligenz“. Das Unspezifische des (Unter-)Titels kann man dabei erfrischend ehrlich finden: Die Ausstellung hat keine starke These, ist in der Summe nicht das vielleicht ja erwartete kulturpessimistische „Pfui!“, auch keine reine Feier der schönen neuen Möglichkeiten; denen nähert sie sich eher im Modus eines etwas unaufgelöst bleibenden Staunens.

Verantwortet hat die Sache einerseits der Leiter der hauseigenen Sammlung von Musikinstrumenten, Olaf Kirsch, andererseits Rolf Bader vom Institut für Systematische Musikwissenschaft der Hamburger Universität. Was nun zu sehen ist, ist zum Teil also studentischen Ursprungs, und wie noch nicht ganz vermittelte, nun ja, Seminarergebnisse wirkt hier so manches.

Da wird etwa visualisiert, wie unterschiedlich sich der Klang in einem frühbarocken Cembalo ausbreitet, verglichen mit einem nachromantischen Konzertflügel. Oder es wird vorgeführt, woran sich erkennen lässt, wie alt so ein individuelles Instrument ist: Die Saitenspannung ändert sich, ebenso der Filz auf den sie schlagenden Hämmern: Kann KI also Menschen (oder auch Museen) davor bewahren, zu viel Geld auszugeben für einen angeblich antiken Steinway?

Can You Hear It? Musik und Künstliche Intelligenz: bis 31. 10., Hamburg, Museum für Kunst und Gewerbe

Führung am Sa, 15. 7., 15 Uhr

Begleitprogramm unter www.mkg-hamburg.de/ausstellungen/can-you-hear-it

Es gibt allerlei Interaktionangebote, mal mehr, mal weniger zwingend: Schieberegler und, klar, Touchscreens; auch eine rote Akustikgitarre liegt da, um zu vermitteln, wie der Mensch akustische Signale verarbeitet: Wenn man darauf spielt, zeigt ein Display, wo auf der Cochlea die jeweiligen Töne registriert und in elektrische Impulse übersetzt werden. Und in einem Raum darf, nein, soll getanzt werden!

Was sich beim Rundgang bestätigt, ist, was die Be­su­che­r*in­nen vermutlich schon mitbringen an Vorwissen: KI kann so manches, das der Mensch kann – aber schneller und (potenziell) fehlerärmer. „KI lernt und analysiert Musik“, besagt denn auch ein prominenter Wandtext. Es wird aber nicht immer ganz klar, in welche Anwendungen ihre Verwendung münden könnte – einerseits.

Andererseits wird genau das manchem halt schon wieder zu konkret ausgestellt: Gleich neben den teils ein wenig spröderen akademischen Stationen, in die die Ausstellung sich gliedert, haben drei lokale Dienstleister ihren Stand, die etwa Beschallungslösungen für die Hotellerie entwickeln, das also, was im Foyer oder Fahrstuhl aus diskreten Lautsprechern dringt. Während aber die Playlists der Konkurrenz auf schnöder Popularität der Musikstücke fußten, lesen wir, werde hier „das Musikangebot an den Geschmack und die Bedürfnisse ihrer User“ angepasst – ohne manipulierende Eingriffe etwa durch Plattenfirmen.

Wenn dazu aber auch eine „Feedbackschleife“ gehört, dass nämlich das Publikum rückmeldet, wie gut ihm ein Stück gefällt, und das wiederum Auswirkungen auf die Playlist hat: Inwiefern vermeidet man da die bösen „Echokammern“ der anderen? Tut man genau das gerade nicht?

Hier wäre ein strenger analytischer Blick schön gewesen, eine für KI sich interessierende Wissenschaft, die keinen wohlwollenden Unterschied macht zwischen Unternehmen, die an der Ausstellung beteiligt sind, und deren Mitbewerbern – aber so wirkt’s arg wie PR. Warum gerade diese drei Firmen und nicht drei andere (oder zehn)? Sind es Pioniere? Ist ihr KI-Game ein besonders ausstellungswürdiges? Wir erfahren es leider nicht.

Von geradezu klassischer Problematik ist dann ein Abschnitt, überschrieben mit „KI und Ethnologie“: Da geht es um ethnische Gruppen in China und die Möglichkeit, durch die – müssen wir es wiederholen? – KI-gestützte Analyse von Musik, die präziser ermittele, was die einen miteinander verbindet respektive von anderen trennt.

Wenn dann die Tonsysteme der Kachin – einer auch in Indien und Myanmar anzutreffenden „Ethnie“ – deutlich unterschieden werden können ausgerechnet von denen der heute so brutal entrechteten Uiguren, ahnt man: An solcher Anwendung der staunenmachenden Technik wäre kaum etwas unschuldig. Und da steht es dann ja auch an der Wand, immerhin: KI könne „missbraucht werden – je nachdem, mit welchen Daten sie gefüttert wird“.

Adorno übrigens hätte sich am Gewerblichen nur vielleicht gestoßen. Schließlich wird es im Museumsnamen schon angekündigt, und für solche Art Ehrlichkeit hatte er doch etwas übrig. Ist natürlich alles Mutmaßung, vorerst – fragen wir ChatGPT?

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