Der nächste Dürresommer kommt

Trotz Regen im Frühjahr: viele Regionen in Deutschland sind zu trocken. Mit weitreichenden Folgen. Ex­per­t*in­nen geben verschiedene Lösungsansätze und mahnen zur Tat

Im Winde verweht: Bei der Aussaat wird auf einem ausgetrockneten Acker in Brandenburg Staub aufgewirbelt Foto: Patrick Pleul/dpa

Von Ann-Kathrin Leclère

Dürre wird immer präsenter in Europa und auch in Deutschland: Die langanhaltende Trockenheit ist oft eine Folge des menschengemachten Klimawandels. Mit vielen Folgen: Vielerorts brennen in Deutschland die Wälder, jüngst in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg. Viele Betriebe in der Landwirtschaft, dem größten Wasserverbraucher, warnten vor Ernteausfällen durch Notreife. Hier muss Gemüse oder Getreide früher geerntet werden, bevor es vertrocknet. Die Berliner Umweltsenatorin Manja Schreiner (CDU) etwa erwägt eine Rationierung des Trinkwassers. Der Weltklimarat warnt vor mehr Hitzetoten.

Der Deutsche Wetterdienst (DWD) rechnet den gesamten Sommer 2023 mit hohen Temperaturen und extremer Trockenheit. Dabei war das Frühjahr 2023 in Deutschland vergleichsweise feucht. Der März 2023 sei zwar bundesweit der nasseste seit 2001, meldete der DWD. Seit Wochen regnet es aber in vielen Gebieten nicht mehr und die Temperaturen steigen bis zu 30 Grad an. In weiten Teilen Ostdeutschlands und in Regionen Süd- und Westdeutschlands ist der viele Regen im Frühjahr längst wieder aufgebraucht. Er durchwässerte nur die erste Bodenschicht. Die Trockenheit in den tieferen Bodenschichten, die durch die letzten Dürrejahre 2018 bis 2020 und 2022 entstanden ist, behindert die Grundwasserneubildung. Trockene Böden können Wasser zusätzlich schlechter speichern.

Um das Wasserdefizit im Boden wieder aufzubessern, müsse es ein gesamtes Jahr durchregnen, erklärte Fred Hattermann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Niederschlag allein hilft also nicht gegen die anhaltende Dürre in Deutschland.

„Es müssen andere – ganz individuelle – Maßnahmen geschaffen werden, die Dürre und ihre Folgen wie Wasserknappheit, Versalzung und Hitze zu bekämpfen“, meint Stefan Schwarzer, Physischer Geograf. Er sprach auf einer Tagung diese Woche mit der Autorin Ute Scheub und Na­tur­wis­sen­schaft­le­r*in­nen über Maßnahmen zur Anpassung an die Dürre.

Ein Ansatz: mehr Bäume pflanzen, denn die helfen nicht nur beim Regenmachen, sondern auch bei der Kühlung. „Ein großer Baum kann etwa 400 Liter Wasser am Tag verdunsten. Das sind so viel wie fünf Klimaanlagen, die 24 Stunden durchlaufen“, zeigt Schwarzer auf. Das funktioniert auf dem Land und in der Stadt. Frankfurt hat bereits im Mai einen Anfang gemacht: Gebäudebegrünung bei Neu- und Umbauten wird zukünftig Pflicht.

Weiterhin müssen Städte entsiegelt werden, sodass Regenwasser ungehindert in den Boden sickern kann. Dadurch werden die Hauptprobleme der Trockenheit in Städten verbessert. Diese Maßnahmen werden in dem städtebaulichen „Schwammstadtprinzip“ zusammengefasst. Kopenhagen macht es seit 2012 vor: Bis 2033 werden überall in der Stadt Flächen geschaffen, die in der Lage sind, eine Menge Wasser aufzunehmen und langsam wieder abzugeben.

„Das Prinzip ‚Verlangsamen, Verteilen, Versickern‘ brauchen wir in der Landwirtschaft auch“, erklärt Sassa Franke vom Verein Klimapraxis. Sie zeigte bei der Tagung auf, welche Strategien der Anpassung an die zunehmende Trockenheit es in der Landwirtschaft gibt. Zum Beispiel wird das „Mob Gazing“ untersucht. Das Prinzip diene dem Bodenaufbau in trockenen Gebieten mithilfe von Tieren. Kühe sollen dabei gezielt Weidereste wie trockene Gräser niedertrampeln. Gemischt mit dem Dung soll dann eine Mulchschicht entstehen, die den Boden vor Austrocknung schützt.

„Insgesamt werden vor allem soziale Folgen der Dürre zu wenig betrachtet“

Sassa Franke, Klimapraxis

Ein weiteres Prinzip, um Wasser auf Flächen zu halten, ist das „Key Lining“. Das sind Gräben, die entlang der Höhengräben das Wasser auf Feldern zurückhalten sollen. Das gesammelte Regenwasser soll dann auf dem gesamten Feld langsam verteilt werden. Auf einem Hof in Luzern in der Schweiz wird dieses Projekt aktuell in die Tat umgesetzt.

„Insgesamt werden vor allem soziale Folgen der Dürre zu wenig betrachtet“, meint Sassa Franke von Klimapraxis. Sie kritisiert, dass es noch keine nationale Wasserstrategie in Deutschland gibt. Diese wurde erst im März dieses Jahres vom Kabinett beschlossen. Franke schlägt vor, der Bund müsse eine Person einsetzen, die sich um Wasser kümmert. In Italien gibt es so jemanden bereits.

Zumindest eine Folge der Dürre will Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach jetzt angehen. Am Dienstag schlug er einen Hitzeaktionsplan nach dem Vorbild Frankreichs vor. Hier werden je nach Schwere der Hitzewellen verschiedene Maßnahmen angesetzt. Zum Beispiel Anrufe bei alten Menschen oder die Einrichtung von Kälteräumen.