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Stumpfe Waffen gegen Gewalt im Netz

Betroffene von digitaler Gewalt sollen per Gesetz mehr Möglichkeiten bekommen, sich zu wehren. Doch Verbände kritisieren die Pläne

Von Svenja Bergt

Mehr Rechte für Betroffene, mehr Pflichten für Onlineplattformen – das sind die Kernpunkte des „Gesetz gegen digitale Gewalt“. Mitte April hat Justizminister Marco Buschmann (FDP) die Eckpunkte vorgelegt, aktuell läuft die Beteiligung der Öffentlichkeit. Doch Verbände, die sich gegen digitale Gewalt und für Bür­ge­r:in­nen­rech­te organisieren, sind gespalten und sehen einige Probleme.

Laut der Organisation Hate­aid, die sich für die Rechte von Betroffenen digitaler Gewalt einsetzt, hat jede zweite Person zwischen 18 und 35 Jahren selbst schon digitale Gewalt im Kontext von Onlinenetzwerken erfahren – häufig fühlten sich Betroffen damit alleingelassen. Grundsätzlich kommt von der Organisation Zustimmung zur Initiative des Justizministers. Doch in den Details gebe es Nachbesserungsbedarf.

Zum Beispiel bei Accountsperren. Betroffene sollen das Recht bekommen, vor Gericht die Sperrung von Accounts zu erwirken, von denen sie mehrfach schwer angegriffen wurden. „Wir müssen uns auch vergegenwärtigen, dass die Umgehungsgefahr enorm hoch ist“, sagt dazu Josephine Ballon von Hateaid. Viele Menschen hätten ohnehin mehrere Profile, gegebenenfalls lasse sich einfach ein neues anlegen.

„Insofern ist bereits der konkrete Nutzen einer solchen Sperre fraglich.“ Eine weitere Hürde seien die Kosten. „Betroffene müssen nämlich noch ihre eigenen Anwaltskosten und die der beteiligten Plattform zahlen, was selbst bei einem Verzicht auf Gerichtskosten mehrere Hundert Euro sind.“ Nötig sei daher eine Nachbesserung bei der Kostenverteilung: So könne etwa der Gegenstandswert der Verfahren gesenkt werden, was auch die Kosten für die Betroffenen reduzieren würde. Zudem brauche es weitere Maßnahmen. So müssten Betroffene unter anderem das Recht bekommen, Schmerzensgeld zu verlangen.

Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) hält Accountsperren für zielführend – und fordert eine Ausweitung. „Es müssen auch Accounts gesperrt werden können, die antisemitische, rassistische, misogyne und weitere vergleichbare strafbare Inhalte verbreiten, die sich nicht gegen eine einzelne Person richten“, so Benjamin Lück, Rechtsanwalt bei der GFF.

Außerdem brauche es ein Klagerecht zivilgesellschaftlicher Organisationen.

Die GFF warnte vor neuen allgemeinen Speicherpflichten. „Bei der Reform der Auskunftsansprüche wird es im Einzelnen stark darauf ankommen, eine ausreichende Balance zu wahren“, so Lück.

Laut dem Eckpunktepapier will Buschmann neue Pflichten für die Plattformen einführen, für das Speichern und Herausgeben von Daten. Nutzungsdaten wie die IP-Adresse sollen herausgegeben werden müssen, wenn das „für die Rechtsverfolgung erforderlich ist“. Bisher gilt das nur für Bestandsdaten, also Name und E-Mail-Adresse.

Zudem sollen Messengerdienste gerichtlich zur Herausgabe von Daten verpflichtet werden können.

Klar gegen die Pläne positioniert sich der Chaos Computer Club (CCC). Die vorgesehenen Pflichten „bergen erhebliche Gefahren für die Bürgerrechte und die informationelle Selbstbestimmung“, heißt es in einer Mitteilung. Die IT-Expert:innen befürchten eine „Vorratsdatenspeicherung durch die Hintertür“. Der Verband fordert statt neuer Speicherungs- und Auskunftspflichten mehr Personal und eine bessere Ausbildung für die Ermittlungsbehörden.

Auch Patrick Breyer, Europaabgeordneter der Piratenpartei, sieht Buschmanns Pläne kritisch. „Wenn Internetzugangsanbieter In­ter­net­nut­ze­r:in­nen anhand ihrer IP-Adresse für private Zwecke ohne jeden Verdacht einer Straftat identifizieren müssen, wird das im Koalitionsvertrag verankerte Recht auf Anonymität zu weit eingeschränkt“, sagt er. Das schaffe neue Gefahren, etwa für Whist­leb­lo­wer:­in­nen oder Opfer von Stalking.

Das Eckpunktepapier ist der erste Schritt zum Gesetzentwurf. Bis zum 26. Mai können nun unter anderem Verbände Stellung nehmen. Ein Referentenentwurf soll noch dieses Jahr fertig werden.

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