piwik no script img

„Viele verstehen nicht, wovon wir sprechen“

Interview Katrin Gänsler

taz: Frau Oladosu, Sie sind eine von Nigerias bekanntesten Klimaaktivist*innen. Warum ist es so wichtig, über die Auswirkungen des Klimawandels im Land zu sprechen?

Adenike Oladosu: Als ich 2019 damit begonnen habe, wurde immer klarer, wie gravierend die Auswirkungen für den ganzen Kontinent sind. Erst wenn Menschen Kenntnis über die Situation erlangen, besteht die Möglichkeit, individuell oder gemeinsam Lösungen zu finden. Eine besondere Bedeutung hat für mich dabei der Tschadsee.

Die Fläche des Sees soll seit den 1960er Jahren schrumpfen. Zahlreiche Menschen hätten so ihre Lebensgrundlagen verloren.

Früher war der Tschadsee Lebensgrundlage für Millionen von Menschen, heute nicht einmal mehr für eine Million. All das führt zu Flucht und Migration. Damit muss man sich ganz dringend beschäftigen. Der See braucht globale Aufmerksamkeit. Auch behandeln wir die Krise gar nicht mehr als solche, sondern als Normalität.

In der Region sind die Terrorgruppen Boko Haram und der „Islamische Staat in der Westafrikanischen Provinz“ (ISWAP) aktiv. Wie hängt das mit dem Klimawandel zusammen?

Menschen verlieren ihre Lebensgrundlagen und müssen flüchten. Das macht die Bevölkerung anfällig. Bewaffnete Gruppe können Menschen mit Versprechungen anlocken und sie anschließend zwingen, Gewalt auszuüben. Das kann sich leicht in andere Regionen ausbreiten. Erst wenn es uns gelingt, die Umweltkrise einzudämmen, erhalten wir Stabilität zurück.

Sie haben in Nigeria Fridays for Future organisiert. Ist der Klimawandel etwas, worüber auch im Alltag gesprochen wird?

Adenike Oladosu,28, ist eine nigerianische Umweltaktivistin und Ökofeministin. Sie setzt sich vor allem für die Wiederherstellung des Tschadsees ein, der seit den 1960ern rund 95 Prozent seiner Fläche verloren hat.

Sogar Menschen mit guter Bildung verstehen nicht, worüber wir sprechen. Vor zwei Jahren wurde eine Brücke auf der Straße von Lokoja nach Kaduna weggespült. Die Menschen sahen nicht, dass das Ereignis in Verbindung mit Umwelt und Klimawandel stand. Stattdessen hatte es für sie einen spirituellen Hintergrund.

Es heißt, dass sich der Klimawandel nicht aufhalten lässt. Wie macht man ein Land wie Nigeria widerstandsfähiger?

Wir müssen es vor allem nachhaltiger machen. Nehmen Sie Abuja. Als die Stadt entwickelt wurde [Anmerkung: Abuja wurde 1991 offiziell zur neuen Hauptstadt], wurde Schienenverkehr nicht eingeplant. Wächst sie weiter, kann es gut passieren, dass sie ein ähnliches Verkehrschaos wie Lagos erlebt. All solche Dinge müssen jetzt gemacht werden und nicht erst, wenn die Krise längst begonnen hat.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen