Sharon Stone, Streiks und Campino: Die Grünen und die Ratte Sachzwang

Grün ist eher ein Gefühl als eine Politik. Und Punk ist nicht erst seit Campinos Frack, sondern schon seit Helmut Schmidt tot.

Die Parteichefs der Koalitionsparteien Lars Klingbeil (SPD,) Ricarda Lang (Grüne) und Christian Lindner (FDP) sprechen im Bundestag nach dem Koalitionsausschuss

In so einem Koalitionsausschuss gibt es Sachzwänge, wenn man mitreden will Foto: Michael Kappeler dpa

Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?

Zur Osterwoche kein „Spiegel“-Titel über Jesus.

Und was wird besser in dieser?

„Spiegel“-Titel nagelt Grüne ans Kreuz.

Der König kam, sprach im Bundestag und fuhr mit dem ICE. Welchen Eindruck hat Deutschland wohl bei Charles III. hinterlassen?

Dafür müsste ich Hoheit in den Kopf gucken können. Bin sicher, seit Monty Python nichts so Lustiges mehr gesehen zu haben.

Dem Koalitionsausschuss ist das Klimaschutzgesetz von 2019 zum Opfer gefallen. Was bleibt noch von grünen Inhalten in der Ampel außer Waffenlieferungen an die Ukraine?

Grün ist eher ein Gefühl als eine Politik. In Kommunen und Ländern haben und nutzen Grüne Macht; im Bund läuft ihr moralischer Rigorismus der alten Ratte Sachzwang in die Zähne. Rot-Grün wurde abgewählt, nachdem Trittin Atomausstieg und Dosenpfand durchgeschädelt hatte. Heute müssen sie sich wieder entscheiden, ob sie etwas erreichen – oder einfach gut aussehen wollen.

Im Tarifstreit des öffentlichen Diensts von Bund und Kommunen wird es bis Mitte April keine Arbeitsniederlegungen mehr geben, solange wird geschlichtet. Hätten ein paar Streiktage mehr diesem Land nicht ganz gut getan?

Ich kann’s kaum abwarten. Was man Anfang 2022 für einen Euro gekauft hat, wird Ende 2023 ca. 1,13 Euro kosten. Die Forderung der Gewerkschaften – 10,5 Prozent, mindestens 500 Euro – bleibt also noch unter dem Kaufkraftverlust. In Worten: Es würde für etwas weniger Geld gestreikt. Die Arbeitgeber schlagen dagegen fünf Prozent auf zwei Jahre vor, plus Einmal­zahlungen. Vermutlich, weil Krankenpfleger und Müllfahrerinnen schuld sind am Erdgasfiasko und dem Ukraine-Krieg. Dagegen hat man sich bei der Post bereits auf ca. eine rote Null geeinigt: 11,5 Prozent auf zwei Jahre. Die Frage scheint weniger, ob das ein allseits fairer Abschluss ist, und mehr: Wie viel rituellen Radau beide Seiten aufführen, bevor sie es zugeben.

Für ihre Rolle in „Basic Instinct“ bekam Sharon Stone 1992 nach eigenen Angaben eine halbe Million Dollar. Ihr Mit- und Gegenspieler Michael Douglas habe 14 Millionen verdient. Ist die Welt seitdem gerechter geworden?

Ja, sagt Sharon Stone – ein bisschen. Beim Dreh „expliziter Szenen“ sei sie die einzige Frau am Set gewesen und habe die Garderobiere zu ihrem Schutz mitgebeten. Nach dem Erfolg wollte sie Regie führen – die Studiobosse hätten sie ausgelacht. Beides sei heute anders. Bleibt der Gender Pay Gap, auch wenn man abzieht: Douglas war ein Megastar, für Stone war es der Durchbruch. Kein Produzent wird die Gage einer Newcomerin hochverhandeln, doch Stones Beispiele zeigen: Es lässt sich etwas bewegen.

Das Bild von Campino im Frack und mit Franziska Giffey beim Dinner für die Royals sorgte für Aufregung. Ist Punk jetzt endgültig dead?

Ja, seit 2015, da starb Helmut Schmidt. Eine Cola, ein Kaffee, zwei Gletscherprisen und ’ne Reyno-Menthol in einer achtminütigen „Tagesthemen“-Schalte. Und dann erst mal Moderator Wickert ob seiner inkompetenten Fragen zusammenfalten: Das war Punk. Schmidt galt vielen als Law-and-order-Ikone, interessant war jedoch, wie er sich dahin flegelte. Er war innerlich frei, und wenn Campino das mit seinem Frack für sich sagt: welcome.

Am 1. April vor einem Jahr konnte die ukrainische Armee Butscha befreien. Welche Rolle spielen die dort verübten Massaker der russischen Streitkräfte für die Wahrnehmung des Krieges?

Für viele die Enthüllung dessen, was bis dahin geahnt wurde: So ist Krieg. Dieser wird allseits „embedded“ berichtet, und wieder können wir nur ahnen, wie viele Butschas wir noch sehen werden. Butscha galt als point of no return, als moralischer Abgrund, jenseits dessen es keinen Ausgleich mehr geben konnte. Auch das ist an Butscha zum Verzweifeln: Es ist ein Grund für und gegen den Krieg.

20 Jahre nach dem Ende des Irak-Krieges hat der US-Senat für eine Streichung der rechtlichen Grundlage für den Militäreinsatz gestimmt. Ist das Hohn oder der Lauf der Demokratie?

Vorsorge. Auf dieser Grundlage ließ Präsident Trump vor drei Jahren den iranischen General Soleimani bei Bagdad per Drohne ermorden. Offenbar hält Bidens Administration so etwas für mindestens so möglich wie Trump.

Und was machen die Borussen?

Nee klar, 0:3 nach 27 Minuten, und im Phoenix-See ist ein russisches U-Boot aufgetaucht. Hab den Aprilquark keine Sekunde geglaubt und freue mich aufs Bayern-Spiel. Die machen wir fertig.

Fragen: waam

Friedrich Küppersbusch ist Journalist, Produzent und Realist.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.