Energieversorgung der Zukunft: Viel Platz in der Sonne

Hamburg könnte etwa zwei Drittel seines Strombedarfs mit Solarenergie erzeugen, vor allem auf Dächern von Privathäusern. Das hat eine Studie ergeben.

Ein Mann arbeitet hinter einem schwarzen Solarmodul in einem Feld von Solarmodulen

43 Millionen Quadratmeter Dachfläche könnten in Hamburg für Stromerzeugung genutzt werden Foto: Nestor Bachmann/dpa

HAMBURG taz | Trotz ‚Schietwedder‘ könnte Hamburg einen Großteil des Energiebedarfs durch Photovoltaikanlagen decken. Das zeigt eine Studie der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) und der Technischen Universität Hamburg-Harburg (TUHH) im Auftrag des Clusters Erneuerbare Energien Hamburg (EEHH). Insbesondere auf Dachflächen von Einfamilienhäusern geht aktuell noch viel Energie verloren.

Hamburg will klimaneutral werden. Bis 2030 soll der CO2-Ausstoß im Vergleich zu 1990 um 70 Prozent gesenkt werden. Die verbleibenden Emissionen müssen dann im Einklang mit den Zielen der Bundesregierung bis 2045 auf Netto-Null reduziert werden. Dafür braucht Hamburg dringend eine Energiewende, denn noch 2021 wurden drei Viertel des in Hamburg erzeugten Stroms aus fossilen Energieträgern gewonnen, – obwohl im selben Jahr das Kohlekraftwerk Moorburg abgeschaltet wurde.

Die Solarpotenzialstudie von HAW und TUHH zeigt, dass Solaranlagen für die Energiewende in Hamburg eine zentrale Rolle spielen. Obwohl es als kleines und urbanes Bundesland vergleichbar schlechte Bedingungen für Photovoltaikanlagen (PV) bietet, könnten allein an den Stellen mit optimalem Ertrag sieben Terrawattstunden Strom pro Jahr Strom erzeugt werden. Das reicht, um etwa zwei Drittel des Bedarfs an Energie in Hamburg zu decken, so die Ende März veröffentlichte Studie. Doch die Realität ist bislang eine andere: 2021 produzierte Hamburg nur 23 Prozent des benötigten Stroms selbst, davon rund ein Fünftel aus erneuerbaren Energieträgern, hauptsächlich Windkraft und Biomasse. Gerade einmal ein Prozent des gesamten in Hamburg erzeugten Stroms kam 2021 aus Photovoltaikanlagen.

Zehn Prozent der Landesfläche sind überdacht

Dass flächenmäßig kleine Bundesländer wie Hamburg stärker von Energieimporten abhängig sind, ist nicht verwunderlich, denn während fossile Kraftwerke überwiegend aufgrund ihres Schadstoffausstoßes nicht in unmittelbarer Nähe zu dicht besiedelten Gebieten stehen sollten, wird im Zuge der Energiewende die Fläche zur grundlegenden Ressource. In Hamburg ist schlichtweg weniger Platz für Solar- und Windparks als im benachbarten Niedersachsen oder Schleswig-Holstein. Doch gerade der begrenzte Platz in Hamburg könnte noch deutlich besser genutzt werden, zeigen die Ergebnisse der Solarstudie für Hamburg.

Wo die Freiflächen für weitläufige Solarparks fehlen, kann Hamburg nämlich mit Dächern punkten. Etwa 10 Prozent der Landesfläche ist überdacht, der größte Teil der Dächer gehört zu Ein- und Mehrfamilienhäusern. Auch Industrie- und Bürogebäude haben für Photovoltaikanlagen geeignete Dächer, sodass insgesamt über 43 Millionen Quadratmeter Dachfläche für die Stromgewinnung durch Solarenergie in Frage kommen, Neubauten nicht eingerechnet.

Solaranlagen beim Neubau gleich mitzuerrichten, ist vergleichsweise einfach, eine Untersuchung der Deutschen Presse-Agentur (dpa) im Auftrag des Ökostromanbieters Lichtblick aus 2021 zeigt jedoch, dass Hamburg im Vergleich zu anderen deutschen Metropolregionen am wenigsten Photovoltaikanlagen auf Neubauten installiert. Mit zehn Prozent PV-Dachfläche bei neuen Gebäuden liegt Hamburg weit abgeschlagen hinter Berlin (27 Prozent), Dresden (51,7 Prozent) oder Nürnberg (69,2 Prozent). Von 9,4 Gigawatt Spitzenleistung, die in der Solarpotenzialstudie des EEHH als realistisch eingestuft werden, sind im gesamten Landesgebiet Hamburg aktuell etwa 0,07 Gigawatt Peak installiert.

Seit Jahresbeginn 2023 müssen nun die meisten Neubauten in Hamburg mit einer Photovoltaikanlage ausgestattet werden. Wie hoch die installierte Leistung ausfällt, liegt jedoch im Ermessen der Eigentümer:innen, Dachflächen unter 50 Quadratmeter sind grundsätzlich von der Pflicht befreit, genauso wie Situationen, in denen sich eine Anlange nicht nach 20 Jahren amortisiert. Doch um das Solarpotenzial in Hamburg auszuschöpfen, reicht die Pflicht für Neubauten allein nicht.

Solarmodule auf Parkplätzen und Obstplantagen

„Mit unserer bisherigen Bilanz können wir noch nicht zufrieden sein“, findet auch Jens Kerstan, Hamburgs grüner Senator für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft. Daher wolle man die für 2025 geplante Pflicht zur Nachrüstung für bestehende Häuser ein Jahr vorziehen. Ab Jahresbeginn 2024 müssen dann auch auf bestehenden Gebäuden Solarmodule installiert werden, – sobald das Dach saniert wird.

Bei klassischen Ziegeldächern ist das etwa alle 80 Jahre notwendig. Flachdächer müssen häufiger saniert werden, je nach Material in Zeitspannen zwischen 25 und 75 Jahren. Mit 55 Prozent Anteil an der gesamten Dachfläche in Hamburg bieten Flachdächer also das größte Potenzial, sobald die Nachrüstpflicht greift.

Doch nicht nur Dächer werden in der Energiewende zu einem wichtigen Gut, auch Flächen der Landwirtschaft und Parkplätze könnten für Photovoltaikstrom effektiv genutzt werden. Die Installation von Solarmodulen über Feldern oder vertikal zwischen Pflanzreihen kann je nach Gewächs sogar vorteilhaft für die Landwirtschaft sein. Apfelplantagen wie im Alten Land würden mit PV-Überdachung besser vor Frost, Hagel und Sonnenbrand geschützt, benötigten weniger Pestizide und die Qualität der geernteten Äpfel steige bei einer Überdachung, während der Reifeprozess nur um eine Woche verlängert würde.

„Im Rahmen der Solaroffensive von Bundesminister Robert Habeck prüfen wir zudem weitere Maßnahmen und Initiativen“, so Senator Kerstan. Meint „Solaroffensive“, das volle Potenzial auszuschöpfen und bis 2045 alle realisierbaren Dächer und Felder mit Solarpaneelen auszustatten, so müssen in Absprache mit Hausbesitzer:innen, Gebäudeverwaltungen und der Hamburger Industrie Photovoltaikanlagen auf einer Fläche von circa zwei Millionen Quadratmeter jährlich installiert werden – inklusive lokaler Batteriesysteme für eine kurzfristige Speicherung des Stromes.

Diese Dimensionen machen eindrucksvoll deutlich, wie spät wir dran sind, mit der Energiewende, und wie viel Tempo es braucht, wenn wir Klimaschutz ernst nehmen.

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