: „Risiken einzupreisen ist Teil jeder Kreditvergabe“
Sind Regulierungen von Krediten im Bereich der fossilen Energie fachfremde Eingriffe? Nein, sagt Regine Richter von der NGO Urgewald
Von Christian Jakob
wochentaz: Frau Richter, im Januar wurde zum ersten Mal über die neuen EU-Bankenregeln abgestimmt. Vorher gab es dazu 366 Lobbytreffen mit EU-Kommission und Parlamentarier:innen in Brüssel. Sechs davon waren Treffen mit Zivilgesellschaftsvertretern, fast alle anderen mit solchen aus der Finanzindustrie. Wie erklären Sie dieses Missverhältnis?
Regine Richter: Wenn ich selbstkritisch bin: Es gibt einige, aber nicht unendlich viele Organisationen, die sich auf NGO-Seite mit dem Thema auseinandersetzen. Davon abgesehen liegt die Lobbymacht auf der Seite der Banken. Es gibt zwischen der Zahl der Branchen- und der der NGO-Vertreter:innen ein eklatantes Missverhältnis. Und wenn sie viele Leute haben, können sie viele Treffen machen. Wenn sie wenige Mitarbeiter:innen haben und die sich alle mit zehn verschiedenen Themen beschäftigen müssen, schaffen sie nur wenige Gespräche.
Der zuständige Ausschuss hat schärfere Regeln für die Finanzierung klimaschädlicher Projekte abgelehnt. Wäre das ohne die Lobbytätigkeit der Banken anders gekommen?
Wir wissen, dass einer der sogenannten Berichterstatter, ein CSU-Abgeordneter, schon mit einer äußerst finanzindustrie-freundlichen Position in die Beratungen hineingegangen ist. Und die Berichterstatter haben viel Einfluss. Wenn dann zusätzlich viel Energie darauf verwendet wird, klimapolitische Reformen zu verwässern, schlägt sich das natürlich im Ergebnis nieder.
Wie viel hätte es dem Klima denn gebracht, wenn die EU Kredite für neue fossile Energieprojekte stärker reguliert hätte?
Wenn die Banken für solche Kredite sehr viel mehr Eigenkapital vorhalten müssten, würde die Kreditvergabe sehr viel unattraktiver. Derzeit machen viele Banken gutes Geld mit Gas- und Ölgeschäften. Durch höhere Eigenkapitalkosten werden diese Geschäfte für die Banken teurer, und es kann sein, dass sie das dann gar nicht mehr machen. Gerade ist es so, dass die Energiekonzerne wegen der hohen Ölpreise in Geld schwimmen. Sie reinvestieren Gewinne, um neue Fossilvorkommen zu erschließen. Das geht auch ohne Kredite, ist aber nichts, worauf sich langfristig bauen ließe, weil der Ölpreis extrem schwankt. Man kann heute ohne Kredite auskommen, morgen kann es schon anders sein. Und die Regelung, die jetzt auf dem Tisch lag, war ja für einen langen Zeitraum gedacht.
Die Finanzwirtschaft führt häufig dieses Argument an: Wer per Bankenregulierung Klimaschutzpolitik machen wolle, missbrauche das Aufsichtsrecht. Denn das diene ausschließlich dazu, die Stabilität der Banken zu sichern. Was ist da dran?
Regine Richter arbeitet bei der NGO Urgewald und war bis 2021 Mitglied im Sustainable-Finance-Beirat der Bundesregierung.
Wenn das Pariser Abkommen konsequent umgesetzt würde, ist sehr naheliegend, dass Investments in Öl- und Gasprojekte keine guten Geschäfte mehr sind. Sie widersprechen Klimaverpflichtungen und müssten deutlich vor Ende der projektierten Betriebsdauer stillgelegt werden und sind dann entsprechend nicht mehr rentabel. Kredite können dann ausfallen. Solche Risiken einzupreisen sollte Teil jeder verantwortungsvollen Kreditvergaben sein. Entsprechend würde ich nicht unterschreiben, dass entsprechende gesetzliche Regulierungen sachfremd wären.
Dass Klimarisiken vom Finanzsystem stärker berücksichtigt werden müssen, bestreitet niemand. Doch statt dies nun mit der aktuell beratenenen Reform zu erledigen, soll die Europäische Bankenaufsichtsbehörde EBA dafür bis 2025 Vorschläge erarbeiten. Das sei der fachlich korrekte Weg, argumentieren die Gegner harter Regulierung. Haben sie recht?
Dass das Ganze jetzt an die EBA zurückgegeben wird, die sich Jahre für die Erstellung eines Berichts nehmen kann, ist ein Spiel auf Zeit, um eine harte Regulierung möglichst lange aufzuschieben. Das Argument, nur demokratisch dafür legitimierte Institutionen dürften eine Regulierung gestalten, klingt für mich sehr stark vorgeschoben. Warum sollten nicht auch EU-Abgeordnete entsprechende Beschlüsse fassen können? Die sind demokratisch legitimiert.
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