Umstrittene Lieferdienste: Stark im Einsatz gegen Mitarbeiter

Ein Kurierfahrer von Flink berichtet der taz von Missständen und wird gefeuert. Ein Skandal, aber leider kein Einzelfall.

Zwei Fahrradkuriere vom Lieferdienst Flink.

In ihrem Arbeitskampf werden Ku­rier­fah­re­r*in­nen allzuoft allein gelassen Foto: Sebastian Kahnert/dpa

Dass die Arbeitsbedingungen bei Lieferdiensten wie Flink, Getir oder Lieferando prekär sind und bisweilen geltendes Arbeitsrecht mehr als nur gebogen wird, ist hinlänglich bekannt. Wir wissen das, weil die Ar­bei­te­r*in­nen regelmäßig auspacken, vor der Öffentlichkeit oder vor Gerichten, die das geschehene Unrecht nur allzuoft in Form von Entschädigungen oder Abfindungen ausgleichen müssen.

Dass den Unternehmen das nicht gefällt, liegt in der Natur der Sache. Damit Ar­bei­te­r*in­nen ihre Rechte dennoch durchsetzen können, gibt es Gewerkschaften und Betriebsräte. Doch insbesondere in der Start-Up-Branche ist das Union Busting, also die systematische Bekämpfung von gewerkschaftlichen Interessenvertretungen, an der Tagesordnung.

Durch die Bank weg alle Lieferdienste, von Gorillas über Getir, Lieferando, Flink oder Hellofresh, gehen gegen die Gründung von Betriebsräten vor. Dafür wird bisweilen vor nichts zurückgeschreckt: Social Media Kanäle von Mit­ar­bei­te­r*in­nen werden ausgespäht, Ge­werk­schaf­te­r*in­nen mit Abmahnungen unter Druck gesetzt, Kri­ti­ke­r*in­nen entlassen und per Gericht Betriebsratswahlen verzögert.

Der Lieferdienst Flink bildet da keine Ausnahme. Nachdem sich Raúl D. für die Gründung eines Betriebrates einsetzt, wird er degradiert, erhält 18 Abmahnungen innerhalb von nur zwei Wochen. Sogar seine Privatadresse wird vom Unternehmen veröffentlicht – natürlich aus Versehen, wie Flink vor Gericht beteuert.

Oft ist es für die Arbeitgeber profitabler, im Nachhinein für aufgeflogene Rechtsbrüche zu bezahlen, als diese gänzlich einzustellen.

Als sich Raul an die taz wendet, um darüber zu berichten, scheut das Unternehmen keine Mühe, um seine Identität zu ermitteln. Sogar eine geschlossene Telegram-Gruppe von Jour­na­lis­t*in­nen wird ausgespäht: Alles mit dem Ziel, den unbequemen Arbeiter aus dem Unternehmen zu entfernen. Was am Ende auch gelingt.

Dieses Vorgehen ist in vielerlei Hinsicht ein Skandal. Zum einen, weil es für die meist migrantischen Ar­bei­te­r*in­nen bei Lieferdiensten existenzielle Probleme bedeutet, sich für ihre Rechte einzusetzen. Abgesehen von der Sicherung des Lebensunterhaltes hängt bei vielen von ihrem Beschäftigungsverhältnis ihre Aufenthaltsgenehmigung ab. Aber auch aus demokratischer Hinsicht ist es hoch problematisch, wenn Beschäftigte aus Angst vor Überwachung und Repression davon absehen, die Öffentlichkeit über Missstände zu informieren.

Würden die Unternehmen das Geld und die Zeit, die sie investieren, um Whistleblower zu verfolgen und Ge­werk­schaf­te­r*in­nen zu schikanieren, in die Verbesserung der Arbeitsbedingungen stecken, wäre vieles besser. Darauf zu hoffen, ist jedoch naiv. Oft ist es für die Arbeitgeber profitabler, im Nachhinein für aufgeflogene Rechtsbrüche zu bezahlen, als diese gänzlich einzustellen.

Genau hier ist die Politik gefragt. Die Sanktionen für Union Busting sind für große Firmen wie Amazon oder Google ein Witz. Um kalkulierte Verstöße gegen das Betriebsverfassungsgesetz zu verhindern, müssten sich die Strafen nach dem Unternehmenswert richten. Und auch gesetzliche Schutzlücken müssen geschlossen werden. Niemand sollte seine Arbeit oder gar seine Aufenthaltserlaubnis verlieren, weil er sich für seine Rechte eingesetzt hat.

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Leiterin taz Berlin und Redakteurin für soziale Bewegungen, Migration und soziale Gerechtigkeit. Schreibt in ihrer Kolumne "Pöbelmanie" über Klassenkampf aus der Perspektive eines Kindes der Arbeiter*innenklasse. Hat politische Theorie studiert, ist aber mehr an der Praxis interessiert.

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