piwik no script img

Die ErklärungNeue Windräder braucht das Land

Das Wirtschaftsministerium will die Energiewende beschleunigen – und will die Solar- und Windkraftbranche stärker bezuschussen. Ein Überblick.

Robert Habeck besichtigt eine Fertigungsstelle für Offshore-Windradkomponenten in Cuxhaven Foto: Chris Emil Janssen/imago

1. Wie ist die Ausgangslage?

Im Jahr 2030 sollen in Deutschland mindestens 80 Prozent des Bruttostromverbrauchs durch erneuerbare Energien gedeckt werden. Aktuell tragen die Erneuerbaren in etwa zur Hälfte zum deutschen Strommix bei.

Um das gesetzte Ziel zu erreichen, müssten neue Wind- und Solarkraftwerke in den kommenden Jahren im großen Stil die Erzeugung aus fossilen Kraftwerken ersetzen. Und sie müssten zudem auch den steigenden Stromverbrauch decken, denn große Teile der Volkswirtschaft – von der Elektromobilität im Verkehrssektor bis zum Heizen mit Wärmepumpen – sollen elektrifiziert werden.

Wirtschaftsminister Robert Habeck rechnet bereits für das Jahr 2030 mit einem Anstieg des Stromverbrauchs um etwa ein Drittel.

Entsprechend den Zielen des Bundeswirtschaftsministeriums müssen Windkraft und Photovoltaik deshalb deutlich schneller ausgebaut werden, als es bislang der Fall war. Das bedeutet in Zahlen: Bis 2030 sollen 57 Gigawatt Windkraft an Land zusätzlich installiert werden. Damit würde in den kommenden 7 Jahren mehr Windkraftleistung aufgebaut als in den vergangenen 20 Jahren zusammen.

In der Offshore-Windbranche müsste an Kapazitäten fast das Dreifache dessen zusätzlich entstehen, was bisher in deutschen Seegebieten überhaupt errichtet wurde.

Und auch bei der Photovoltaik wäre bis 2030 ein enormer Zubau nötig: 150 Gigawatt binnen 7 Jahren, das wäre mehr als das Doppelte der letzten 20 Jahre.

Bei den genannten Technologien müssten die bisherigen Spitzenjahre des Zubaus also weit übertroffen werden. Das zeigt, wie groß die Aufgaben sind, um das Ziel zu erreichen, das sich die Politik gesetzt hat.

2. Wie soll der rasant beschleunigte Ausbau gelingen?

Zum einen geht es im Papier des Wirtschaftsministeriums, das sich auf eine Untersuchung der Deutschen Energieagentur (Dena) stützt, um eine noch bessere Förderung von Windkraft- und Solarenergie. Die Bundesnetzagentur hatte bereits im Dezember bei den EEG-Ausschreibungen für Windkraft an Land und Photovoltaik auf Dächern die Einspeisevergütungen deutlich erhöht, indem sie die zulässigen Gebotshöchstwerte um 25 Prozent angehoben hat.

Weil aber angesichts deutlich gestiegener Rohstoff- und Anlagenpreise die garantierten Sätze für viele Investoren offenbar immer noch nicht attraktiv genug sind, will das Ministerium nun prüfen, ob „wettbewerbskonforme Maßnahmen getroffen werden können“, um zusätzlich „Realisierungsrisiken zu reduzieren“.

Dabei wird insbesondere an Garantien für Investoren gedacht, zum Beispiel, wenn sich die Genehmigung für einen Windpark verzögert. Die Projektentwickler sollen dann trotzdem die benötigten Windturbinen schon vorab bestellen können, indem der Bund die damit verbundenen Risiken abdeckt.

3. Was will der Staat noch ­fördern?

Solarzellen und Photovoltaikmodule werden vor allem in China hergestellt. Um solche internationalen Abhängigkeiten zu reduzieren, soll der (Wieder-)Aufbau einer Solar- und Windkraftindustrie in Deutschland und Europa gefördert werden. Die Bundesregierung möchte „geeignete Förderinstrumente schaffen, um den Zugang zu Investitionskapital für den Auf- und Ausbau von Fertigungskapazitäten“ zu erleichtern. Zugleich werde man „die Förderung im Bereich Betriebskosten stärken“, damit „Energiewendetechnologien auf wettbewerbsfähigem Niveau produziert werden können“.

Dabei wird allerdings die EU noch ein Wörtchen mitreden. Das Wirtschaftsministerium gibt sich aber zuversichtlich, schließlich habe die EU-Kommission bereits angekündigt, sie beabsichtige, den Mitgliedstaaten „zeitlich befristet mehr Flexibilität zur Gewährung von Beihilfen zuzugestehen“. Unter anderem, wenn es Beihilfen für erneuerbare Energien, für Dekarbonisierungsmaßnahmen und für Investitionen in Sektoren, die strategisch wichtig für die Klimaneutralität sind, sind. Teil der Förderung sollen „Superabschreibungen“ für Transformationstechnologien sein.

Darüber hinaus soll bis zum Sommer gemeinsam mit der KfW-Bank ein „Vorschlag für einen Transformationsfonds“ erarbeitet werden.Damit Firmen, die „Transforma­tions­technologien“ entwickeln, wettbewerbsfähige Produkte anbieten können, arbeite man zudem an ­einem „Konzept für einen natio­nalen beziehungsweise europäischen Industriestrompreis“, auch „Dekarbonisierungsstrompreis“ genannt.Denn ein großes Hemmnis für die Wiederansiedlung einer deutschen und europäischen Photovoltaik-Industrie seien „die im internationalen Vergleich hohen Strompreise“.

Man brauche daher „speziell für die stromintensiven Wertschöpfungsschritte der Modulherstellung“ günstige Strompreise. Wie die Dena in ihrem „Entwurf einer ­industriepolitischen Strategie für erneuerbare Energien und Stromnetze“ beschreibt, sähen „Stakeholder“ ein Preisniveau in Höhe von 4 bis 6 Cent pro Kilowattstunde als geeignet an.

4. Hat man für die Energiewende überhaupt die nötigen Fachkräfte?

Natürlich nicht, denn die fehlen überall. Im schönsten Amtsduktus beschreibt das Wirtschaftsministerium Fachkräfte als eine „kritische Inputvariable“ der Energiewende. Die Dena sucht zwar nach grundsätzlichen Lösungen, doch die kommen meist erst langfristig zum Tragen.

So wie der Vorschlag, dass „am besten bereits in Kita und Grundschule Interesse für handwerkliche und naturwissenschaftliche Berufe geweckt werden“ müsse. Insbesondere Frauen sollten für „grüne“ Berufe gewonnen werden, denn sie seien „in vielen technischen Energiewende-Berufen unterrepräsentiert“.

Dazu, wie eine solche Verschiebung von Schwerpunkten in der Ausbildung umgesetzt werden soll, bleiben die Aussagen dünn – abgesehen von allgemeinen Formeln, wie der Stärkung der dualen Ausbildung, die gemeinhin als guter Garant für bedarfsgerechte Qualifizierung gilt.

5. Wie geht es nun weiter?

Die Debatte um konkrete politische Schritte steht mit den skizzierten Maßnahmen erst ganz am Anfang. Bislang sind die genannten Punkte lediglich vage Absichtserklärungen.

Woher das viele Geld kommen soll, das für all die Förderprogramme und staatlichen Absicherungen nötig wäre, ist noch nicht definiert. Und zu berücksichtigen ist auch, dass das Wirtschaftsministerium diese Pläne erst einmal alleine in die Welt gesetzt hat. Spannend wird, was FDP-Finanzminister Christian Lindner davon hält.

Und was daraus im parlamentarischen Verfahren wird, wenn die Ideen in konkrete Gesetze gegossen werden sollen, ist dann noch mal ein ganz eigenes Thema.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • Ist schon witzig, dass keine Fachkräfte da sind. Ich weiß nicht, wie ich meinen Schülern diese Jobs schmackhaft machen soll.

    Geringes Einkommen, keine bezahlbaren Wohnungen, Rente mit 70 und der gemeine Abiturient/Student spuckt ihnen von oben herab auf den Kopf. Dazu kommt, dass der technische Fachunterricht überwiegend von fachfremden Lehrkräften mehr schlecht als recht durchgeführt wird. Die entsprechenden Fachlehrkräfte werden ebenfalls mies behandelt. Den Job will auch niemand mehr machen.

    • @TOM1976:

      Geringes Einkommen für Fachkräfte ist "hoffentlich" Vergangenheit!



      Das Problem sehe ich eher darin, einer "handyverliebten" Generation das Handwerk schmackhaft zu machen.

  • Kein Windrad ersetzt ein konventionelles Kraftwerk! Von dieser Utopie sind zwar viele grün beseelte Menschen überzeugt, verkennen aber den steigenden Stromhunger.

    Immer mehr elektrische Geräte, E-Autos, bald auch E-LKW, Batteriezüge, Wärmetauscher, ....



    Aktuell gibt es eine installierte Strommenge von ca. 500 TWh. Für 2050 wird ein Verbrauch von ca. 1800 Twh prognostiziert. 350% mehr in den nächsten 27 Jahren. So viele Windkraftanlagen kann man gar nicht bauen. Zumal die ältesten dann bereits schon wieder aus dem Betrieb gehen.

    Viele haben keine Ahnung von der Zukunft träumen aber irgendwie von gestern.

  • > eine noch bessere Förderung von Windkraft- und Solarenergie.



    Deutschland hat heute die höchsten Strompreise der Welt. Bei einem Vergleich mit z.B. Frankreich werden immer die dortigen Subventionen betont aber stets verschwiegen, daß die nur die Hälfte der deutschen -- jetzt auch als staatliche Subvention gezahlten -- EEG-Förderung ausmachen.



    Eine "Förderung" heißt nichts anderes als daß der Bürger noch mehr als jetzt schon zusätzlich zum hohen Preis den Strom auch noch mit seinen Steuern bezahlen muß. Dieser Anteil ist deshalb besonders perfide, weil er an keine Gegenleistung gebunden ist und sich durch noch so große Einschränkung und Sparsamkeit nicht senken läßt.



    "Der Staat" bezahlt und fördert gar nichts. Er verteilt auch nicht das Geld anderer Leute -- ohne Rücksicht auf deren Wünsche -- bloß um, sondern er zweigt erhebliche Teile dieser Umverteilungssummen für sich und seine ausufernden und parteiendominierten Behördenapparate ab. Jede neue "Förderung" bedeutet neue und zusätzliche Versorgungspöstchen im Zugriff der Etablierten.

  • Ah so.



    Jetzt soll also die um das Jahr 2000 von rotgrün eingeleitete Energiewende, die ab 2005 von schwarzgelb brutal ausgebremst wurde, wieder mit viel Geld angeschoben werden.



    Durch die damalige Vollbremsung sind mehr als 100.000 Jobs verloren gegangen und viele Investoren haben viel Geld verloren, Firmen sind pleite etc.



    Die Leute sind noch da!



    Sollen die jetzt wieder dran glauben? Bis die nächste radikale Bremse wieder alles vor die Wand fährt?

    • @mensch meier:

      Die Branche läuft doch! Leider hauptsächlich in China. Bis zur nächsten Wahl wird dank FDP und teilen der SPD ohnehin nichts mehr passieren. Es wird alles typisch deutsch totdiskutiert. Danach sind wieder die üblichen fossilen Chaoten in der Mehrheit und die ganze Aufregung ist vorbei. Dann braucht keiner mehr Angst vor Dunkelflauten, immer mehr Strombedarf haben oder auf irgendwas verzichten. Einfach weiterheizen!

  • Und was ist mit der Dunkelflaute (Nov. / Dez. 2022 waren das 14 Tage)? Und der erforderlichen Krtafwerkskapazität? Wenn ich mich recht erinnere hat Scholz erst vvor ein paar Tagen ganz kurz erwähnt dass 20 GW Gaskraftwerke ebenfalls erforderlich sein werden. Was ist mit der Regelleistung? Wo ist das budgetiert, warum wird das nicht angesprochen? Weil es nicht in die heile Märchenwelt von Habeck passt??

    Und, wie sieht es mit der Forschung aus? Wollen wir auf dem jetzigen Stand stehenbleiben uns sehen wie uns alle anderen überholen? Das scheint Scholz und Habeck total egal zu sein, die können halt nicht von jetzt bis gleich denken. Von der Ministerin für Bildung und Forschung will ich garnicht reden, die ist so blass dass ich mir nicht mal die Mühe mache ihren Namen zu googeln.

    Habeck, Scholz und die anderen wurschteln hier rum und ganz ehrlich, die scheinen keinen Gesamtplan zu haben der auf der Physik und den Ingenieurs- und Wirtschaftswissenschaften - also der Realität - beruht. Sie verlassen sich anscheinend auf eine Mishcung aus Aktivismus und Wunschdenken, kombiniert mit Sichtklappen damit man unangenehme Wahrheiten nicht sehen muss . Das entspricht ihrem Niveau, wird aber (a) einen Haufen Geld kosten und (b) schief gehen. Aber, wie bestellt so geliefert..

    • @Gerald Müller:

      @Gerald Müller,



      Wenn Sie gerne mehr über die Pläne zur Energiewende wissen möchten, kann ich folgende Bücher empfehlen:



      1. Handbuch Klimaschutz, erschienen in der bpb



      2. Erneuerbare Energien zum Verstehen und Mitreden, erschienen bei Bertelsmann



      Beide Bücher stammen von Fachleuten , in Zusammenarbeit mit anerkannten Wissenschaftlern. Da ist auch das Thema Speicher zu Überbrückung der berühmten Dunkelflaute erklärt.