Neonazi kein Brandstifter

Zweiter Angeklagter im Neukölln-Prozess von Anklage der Brandstiftung freigesprochen

Von Gareth Joswig

Für die Opfer ist es ein Schlag ins Gesicht: Der Neuköllner Neonazi Sebastian T. ist von der Anklage der Brandstiftung an den Autos des Linken-Politikers Ferat Kocak und des Buchhändlers Heinz Ostermann freigesprochen worden. Weil die Anklage sich in diesen Punkten nur auf Indizien wie Ausspähungen und Chat-Protokolle stützte, reichte es am Ende nicht zu einem Urteil im Hauptanklagepunkt.

Verurteilt wurde T. dennoch vom Amtsgericht Tiergarten am Dienstag für andere Straftaten wie Morddrohungen, Sachbeschädigungen und Sozialbetrug. Am Ende wurde T. zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Die Strafe wurde nicht zur Bewährung ausgesetzt, weil T. ein langes Vorstrafenregister hat und noch immer in der rechtsextremen Szene beim „III. Weg“ organisiert ist. Von T. werden zudem noch rund 16.000 Euro eingezogen, die er fälschlich als Sozialhilfen bezog.

Die Generalstaatsanwaltschaft kündigte an, gegen das Urteil in Berufung zu gehen. Dafür haben sowohl Ankläger als auch Verteidiger eine Woche Zeit. Das Opfer Ferat Kocak kritisierte das Urteil nach der Verhandlung: „Ironischerweise konnte diese Tat nur deswegen bewiesen werden, weil ihr Opfer als ‚Linksextremist‘ von den Sicherheitsbehörden beobachtet wurde“, hieß es in einer danach verschickten Mitteilung. Er warf den Strafverfolgungsbehörden Versäumnisse vor, „die daran zweifeln ließen, ob eine Aufklärung der Taten überhaupt gewünscht ist“. Es sei unerträglich, dass fünf Jahre nach dem Anschlag niemand zur Verantwortung gezogen worden ist – „mein Vertrauen in Staat und Justiz ist schwer geschädigt“, so Kocak.

Die Staatsanwaltschaft hatte vor dem Urteil vier Jahre Freiheitsstrafe ohne Bewährung gefordert. In einem rund zweistündigen Plädoyer zählten sie noch einmal sämtliche T. zur Last gelegten Straftaten auf: Brandstiftung am Auto von Heinz Ostermann und Ferat Kocak, Sachbeschädigungen durch NS-verherrlichende Aufkleber und Graffiti mit dem Konterfei von Rudolf Hess, Subventionsbetrug durch Coronahilfen, Sozialbetrug durch missbräuchlichen Bezug von Hartz IV.

Nachdem das Verfahren gegen den ursprünglich mitangeklagten Tilo P. wegen Brandstiftung in einem Freispruch endete und der lediglich für die rechten Schmierereien verurteilt wurde, rechnete die Staatsanwaltschaft auch in diesem Verfahren nicht mit einer nur auf Indizien gestützten Verurteilung wegen Brandstiftung. Auch deswegen forderte sie im Plädoyer wohl vorsorglich, dass T. auch ohne Brandstiftung aus Sicht der Staatsanwältinnen für deutlich über zwei Jahre verurteilt werden müsste.

Sebastian T. folgte dem letzten Prozesstag weitgehend ungerührt, bei der Urteilsverkündung lief er etwas rot an, ansonsten blieb er weitgehend still. Auch nach dem Plädoyer seines Anwalts Carsten Schrank hatte er nichts mehr hinzuzufügen. Der als Neonazi-Anwalt bekannte Jurist hatte zuvor sämtliche angeklagten Taten abgestritten oder verharmlost. Dabei hatte er nicht nur die tatsächlich schwer gerichtlich nachweisbaren Brandstiftungen geleugnet, sondern auch Anschläge gegen An­ti­fa­schis­t*in­nen relativiert – mit Hinweisen auf Linksextremismus.

Ein kleiner Exkurs zur Rolle von Rudolf Hess im Nationalsozialismus durfte natürlich auch nicht fehlen vonseiten des Neonazi-Anwalts. Es sei keine NS-Verherrlichung gewesen, dass sein Mandant Rudolf-Hess-Sticker verklebt hätte, sollte das wohl unterstreichen. Auch insgesamt blieb das Plädoyer etwas wirr und teils widersprüchlich.