Lehrkräfte sollen Vollzeit arbeiten

Die Ex­per­t*in­nen der Kultusministerkonferenz legen ihre Empfehlungen gegen den Lehrkräftemangel vor

Von Anna Klöpper

Bundesweit macht der Lehrkräftemangel den Schulen zu schaffen. Berlins Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD), die 2023 der Kultusministerkonferenz (KMK) vorsitzt, hatte deshalb bei ihrem Amtsantritt vor zehn Tagen bereits die Maxime ausgegeben, die Länder müssten sich zusammentun – statt sich gegenseitig die Absolventen von den Unis abzuwerben. Nun legt die Ständige Wissenschaftliche Kommission der KMK am Freitag ihre mit Spannung erwarteten Empfehlungen vor, wie das konkret aussehen könnte. Der taz liegt das Papier vor.

Als die „größte Beschäftigungsreserve“ hat die Kommission die Teilzeitquote entdeckt. Sie schlägt vor, „die Möglichkeit zur Teilzeitarbeit zu begrenzen“, sprich: nur in Ausnahmefällen zu gewähren, etwa wenn kleine Kinder zu Hause betreut werden müssen. „Rein rechnerisch“ könne man, bei Aufstockung aller bundesweit 447.000 Teilzeitlehrer*innen, so rund 205.000 Vollzeitstellen gewinnen.

Auch Sabbaticals könne man „befristet einschränken“. Zudem sollen Ru­he­ständ­le­r*in­nen wieder zur Rückkehr an den Arbeitsplatz motiviert werden. Dafür brauche es gezielte Kampagnen in den Ländern. Bereits jetzt können Lehrkräfte über das eigentliche Ruhestandsalter von 65 Jahren hinaus arbeiten. Allerdings schaffen das die wenigsten: laut KMK-Papier 2020 nicht mal ein Drittel der 17.000 Neu-Pensionäre.

Für Entlastung im Arbeitsalltag sollen auch Studierende sorgen. Sie könnten Klausuren korrigieren, schlagen die Ex­per­t*in­nen vor. Viele Länder setzen bereits Lehramtsstudierende im Unterricht ein – in Berlin dürfen sie etwa bis zu 14 Wochenstunden unterrichten.

Damit Lehrkräfte auch wirklich vor der Klasse stehen, anstatt das Mittagessen zu beaufsichtigen, schlägt die Kommission zudem vor, Lehrkräfte in Altersteilzeit für Hilfsarbeiten heranzuziehen. Konkret: Wenn eine Pausenaufsicht gebraucht wird, soll das der Kollege mit den Ermäßigungsstunden übernehmen. In Berlin könnte man so rein rechnerisch einen Umfang von 331 Vollzeitstellen aktivieren, teilt die Bildungsverwaltung auf Anfrage mit.

Die älteren Schü­le­r*in­nen sollen indes versuchen, ob sie nicht auch ganz ohne Leh­re­r*in auskommen: Die „Selbstlernzeiten“ in der Oberstufe könnten ausgeweitet werden, schlägt das Papier vor. Die Länder könnten zum Beispiel „Scripts“ und „Linksammlungen“ für das Selbststudium bereitstellen.

Einfach mehr Kinder in eine Klasse zu setzen und so Personal zu sparen, soll aber nur „ultima ratio“ sein, insbesondere in Grundschulen und sozialen Brennpunkten.

Von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft kam am Donnerstag Kritik: „Das ist nur Symptombekämpfung. So motiviert man junge Menschen nicht für diesen Beruf“, sagt der Berliner Landesvorsitzende Tom Erdmann. Es brauche eine Ausbildungsoffensive an den Unis. Die KMK rechnet damit, dass bis 2025 rund 20.000 Lehrkräfte in Deutschland fehlen.