Führungskräfte in Bundesbehörden: Wenig Ostdeutsche ganz oben

Über 30 Jahre nach der Wende sind Ostdeutsche als Führungskräfte in Bundesbehörden weiterhin rar. Die Bundesregierung will nun gegensteuern.

Eine Richterrobe hängt in einem Gerichtssaal über einen Stuhl

Richterrobe in einem Gerichtsaal: In der Richterschaft beträgt der Anteil der Ostdeutschen nur sieben Prozent Foto: Christophe Gateau/picture alliance

BERLIN taz | Über dreißig Jahre nach der Wiedervereinigung sind Ostdeutsche in Führungspositionen von Bundesbehörden und Justiz klar unterrepräsentiert. Und das liegt nicht allein daran, dass das Kanzleramt seit gut einem Jahr von einem westdeutschen Mann geführt wird. Das Problem erstreckt sich auf alle Ebenen in Bundesbehörden und Gerichten, wie eine Bestandsaufnahme im Auftrag des Ostbeauftragten der Bundesregierung, Carsten Schneider, zeigt.

Demnach sind nur 13,5 Prozent der Führungskräfte in der Verwaltung der obersten Bundesbehörden – etwa von Ministerien, dem Kanzleramt, in Bundesrat und Bundestag – gebürtige Ostdeutsche. Auf der oberen Leitungsebene halbiert sich der Anteil sogar.

Als Ostdeutsche gelten dabei Menschen, die in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen geboren sind. Berlin genießt eine Sonderstellung, ist in dieser Zählung aber enthalten. Rechnete man Berlin raus, wäre der Anteil von Ostdeutschen noch geringer.

In der Richterschaft beträgt der Anteil der Ostdeutschen nur sieben Prozent. Und das, obwohl die Ostdeutschen ein Fünftel (20 Prozent) der gesamtdeutschen Bevölkerung stellen. Die Annahme, es handle sich um eine vorübergehende Begleiterscheinung der Transformation, habe sich nicht bestätigt, heißt es in der Bestandsaufnahme. Vielmehr deute vieles darauf hin, dass sich die Unterrepräsentation Ostdeutscher in Führungspositionen weiter verfestigt und teilweise größer werde.

„Das Land nimmt sich etwas“

„Es gibt hier einen toten Fleck, auf den die Bundesregierung bisher nicht geschaut hat“, so der Ostbeauftragte der Bundesregierung Schneider.

Die Bundesregierung will nun gegensteuern. Die Bestandsaufnahme ist Teil eines Konzepts zur Steigerung des Anteils Ostdeutscher in Führungspositionen, das am Mittwoch in der Bundesregierung beraten und verabschiedet wurde. So soll künftig systematischer erfasst werden, wer im Osten geboren ist. Ab Juni wird von potentiellen Führungskräften auch der Geburtsort erfasst, das Personal von Behörden im Osten soll stärker regional rekrutiert werden.

Die Bundesregierung setzt vor allem auf die Sensibilisierung der Personalverantwortlichen und hat bei ihrer Kabinettssitzung auch eine Selbstverpflichtung beschlossen, die Repräsentanz von Ostdeutschen im eigenen Zuständigkeitsbereich zu verbessern. Von den 17 Bun­des­mi­nis­te­r:in­nen sind nur Klara Geywitz, SPD, und Steffi Lemke, Grüne, gebürtige Ossis, also knapp über 10 Prozent.

Die Einführung einer Quote für Ostdeutsche lehnt Schneider vor allem aus juristischen Gründen ab. Sie sei nicht rechtssicher. „Ich fände es aber richtig, wenn wir die 20 Prozent erreichen“, so der gebürtige Erfurter. „Das Land nimmt sich etwas, wenn wir auf die Erfahrungen der Ostdeutschen in den Führungsebenen verzichten.“ Man sei damit breiter aufgestellt.

Das Konzept des Ostbeauftragten verweist auf die gesunkene Zufriedenheit mit der Demokratie besonders in den östlichen Bundesländern. Sie lag zuletzt nur noch bei 39 Prozent. Eine bessere Repräsentation und die Sichtbarkeit von Ostdeutschen in Führungspositionen könnten das Vertrauen in die Demokratie stärken, heißt es dort.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.