Regierungskrise in Israel: Netanjahu kramt in der Trickkiste

Nach einem Urteil, das die Entlassung von Israels Innenminister fordert, sucht Netanjahu nach Auswegen. Kommt Arie Deri durch die Hintertür zurück?

Premierminister Netanjahu mit Innenminister Deri

Premierminister Netanjahu (re.) mit Innenminister Deri Foto: Ronen Zvulun/reuters

TEL AVIV taz | Das Oberste Gericht Israels hat die Entlassung von Innen- und Gesundheitsminister Arie Deri gefordert. Der Chef der ultraorthodoxen Schas-Partei sei nicht für ein Ministeramt geeignet, weil er im vergangenen Jahr wegen Steuervergehen zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden sei, befand das Gericht am Mittwoch. Am Donnerstag forderte Generalstaatsanwältin Gali Baharav-Miara Regierungschef Benjamin Netanjahu auf, dem Urteil Folge zu leisten und Deri aus dem Kabinett zu entlassen.

Das Urteil ist keine Überraschung, doch es bringt Netanjahu in die Bredouille. Deri ist einer seiner wichtigsten Koalitionspartner. Dieser kündigte an, die Entscheidung nicht zu akzeptieren: „Wenn sie die Tür vor uns zuschlagen, werden wir durchs Fenster wieder einsteigen. Wenn sie das Fenster schließen, werden wir durch die Decke einbrechen, mit Gottes Hilfe.“

Nur wenige Wochen nach Amtsantritt ist Netanjahu nun eingekeilt zwischen dem Obersten Gericht und seinen Koalitionspartnern. Auf Hochtouren muss er jetzt alle Hebel in Bewegung setzen, um eine Lösung zu finden.Dass er das Urteil ignoriert, ist nicht ausgeschlossen, gilt aber als nicht sehr wahrscheinlich.

Stattdessen könnte die Regierungskoalition versuchen, Deri durch legale Manöver zurück in die Regierung zu holen. Im Gespräch ist etwa, Deri den Posten eines „alternierenden“ Ministerpräsidenten zu geben, was bedeutet, dass er Netanjahu zu einem späteren Zeitpunkt als Regierungschef ablösen würde.Doch auch dieser Schritt würde wohl wieder vor dem Obersten Gericht landen.

Abhilfe durch Justizreform

Für viele der Optionen, mit denen Deri ins Kabinett zurückgeholt werden könnte, müsste die geplante Justizreform noch erweitert und verschärft werden. Sie stößt in der Bevölkerung, in der Opposition und unter Rechts­ex­per­t*in­nen ohnehin auf Widerstand und hat eine Welle von Protesten losgetreten.

Der umstrittenste Punkt ist die sogenannte Überstimmungsklausel, die Israel in Richtung eines illiberalen politischen Systems wie in Ungarn oder Polen brächte. Die Klausel würde es dem Parlament ermöglichen, das Gericht zu überstimmen, wenn dieses ein Gesetz als grundgesetzwidrig zurückweist.

Diese geplante Klausel könnte möglicherweise auch auf das jüngste Urteil des Gerichts angewandt werden, wobei bislang völlig unklar ist, ob sie auch rückwirkend greifen wird.

Am vergangenen Samstag hatten sich 80.000 Israelis in Tel Aviv versammelt, um gegen die Pläne zu demonstrieren. Nach den neuen Auseinandersetzungen im Fall Deri dürften die Proteste, die von nun an jeden Samstag stattfinden sollen, noch größer werden.

Deri durch die Hintertür wieder in die Regierung zu holen, wird Netanjahu zudem zwingen, sich auf eine Auseinandersetzung mit den Gerichten einzulassen. Das hat er, gegen den ein Gerichtsverfahren wegen Korruptionsvorwürfen läuft, bislang zu vermeiden versucht.

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