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Die Mentalität von 2018

Enorme Effizienz, Pragmatismus und eine Portion Spielglück: Das ist erneut die Erfolgsformel des Weltmeisters Frankreich. Das Marokko-Spiel ist trotzdem gefährlich

Jubelchoreografie für die mitgereisten Blauen: das französische Team Foto: Fo­to:­imago/Xinhua

Aus Al-Khor Frank Hellmann

Richtig einstudiert wirkte die Choreografie in dem riesigen Wüstenzelt nur bedingt. Weshalb die erleichterten französischen Fußballer sie ja auch gleich drei-, viermal probierten. Vor den südlichen Stadionsektoren im Al Bayt, in dem sich die Mehrzahl der nur 4.000 Fans der „Bleus“ unter mehr als 68.000 Menschen befunden hatten, nahmen Kylian Mbappé und Kollegen nach Mitternacht mehrfach langen Anlauf, um im Sprung den Bizeps zu spannen und die Faust zu ballen.

Es war ja auch ein wahrer Kraftakt gewesen, das WM-Viertelfinale gegen England (2:1) zu gewinnen.

Schlussendlich warf mit Olivier Giroud, ein lange in der Premier League beschäftigter Angreifer, alle Entschlossenheit in eine Flanke von Theo Her­nandez und entschied ein hochkarätiges Fußballspiel (78.). Der beim Titelgewinn 2018 gänzlich erfolglose Torjäger köpfelte den Weltmeister mit seinem bereits 4. Turniertor ins Halbfinale. „Das erinnert mich an die Mentalität und die Hingabe von 2018. Diese Gruppe verdient es, wieder so weit zu kommen“, sagte der 36-Jährige, der noch im Nationaltrikot zur Pressekonferenz erschien. Er erinnerte sich ans Halbfinale von vor 4 Jahren, als die Équipe Tricolore auch nicht als das bessere, aber ausgebufftere Team rüberkam: „Es war wie damals gegen Belgien. Wir haben gezeigt, dass wir unsere Chancen nutzen, wenn es drauf ankommt.“

Eine Prise Pragmatismus und eine Portion Spielglück braucht es auch. So weist die Haltung in Katar gerade frappierende Ähnlichkeit mit den in Russland ausgespielten Trümpfen auf. Dass der Rekordtorschütze seinen Stammplatz nur dem Ausfall von Torjäger Karim Benzema zu verdanken hat; dass die Absage von Paul Pogba einem Aurélien Tchouaméni in die erste Elf verhalf, der auf Pogbas Position aus knapp 26 Metern zum 1:0 (17.) traf, fügte sich ins harmonische Bild. Geschlossen stürmte die Gruppe hinterher durch ein von Trainer, Betreuern und Helfern geformtes Spalier, ehe in der Kabine eine Delegation um Verbandspräsident Noël Le Graët, die 1998er-Weltmeister Lilian Thuram und Claude Makélélé wartete.

„Es wurde gesungen und getanzt. Es ist wunderbar, diese Gefühle in der Umkleide zu sehen“, erzählte Giroud. Nebenmann Mbappé hatte schon auf dem Platz ein breites Grinsen gezeigt, als Englands Torjäger Harry Kane seinen Elfmeter weit über die Latte drosch. Ansonsten hatte der Goldjunge gegen einen bestens organisierten Kontrahenten wenig zu lachen. Immerhin verschickte der 23-Jährige später drei rote Herzen via Twitter an seinen marokkanischen Freund Achraf Hakimi, Klubkollegen bei Paris St. Germain. Wiedersehen in einem Halbfinale macht Freude.

Nationaltrainer Didier Des­champs warnte bereits eindringlich davor, den Außenseiter Marokko zu unterschätzen. „Sie haben einige der besten Teams der Welt geschlagen.

„Wir nutzen unsere Chancen, wenn es drauf ankommt“

Olivier Giroud

Sie haben diese Siege nicht gestohlen, sie haben es verdient“, betonte der 54-Jährige. Es sei „fantastisch“, was das erste Team vom afrikanischen Kontinent erreicht habe. „Das kann ihnen niemand mehr nehmen.“ Seine Auswahl kann beim nächsten Spiel in der Spielstätte weit draußen von Doha hingegen noch einiges verlieren.

Der Nationaltrainer wird sein Ensemble wieder auf mehr Dominanz ausrichten müssen, denn so oft dem Gegner hinterherzulaufen wie gegen die „Three Lions“ wird nicht noch einmal gut gehen. Deschamps fand es daher wenig angemessen, nach dem „harten Spiel“ gegen England bereits zur Option befragt zu werden, ob Frankreich nach Brasilien 1962 der erste Weltmeister werde, der wieder seinen Titel verteidige. Vor dem „nächsten wichtigen Schritt“ wollte er darauf nicht eingehen, setzte aber ein Augenzwinkern hintendran.

Schließlich ist Frankreich unter seiner Anleitung weit gekommen. Deschamps wird zur Belohnung bereits eine Vertragsverlängerung angeboten, aber damit wollte sich der Baske partout (noch) nicht beschäftigen. „Es ist schön, wenn der Präsident darüber froh ist, was wir erreicht haben. Aber es sind einige andere Menschen auch froh. Ich bin der Trainer fürs Halbfinale, danach schauen wir weiter.“

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