der rote faden
: Die Weltsicht der Panter wird endlich Mainstream

Foto: Anna Spindelndreier

Durch die Woche mit Lukas Wallraff

Was lange zehrt, wird endlich gut. All die Mühe scheint sich doch zu lohnen. Noch nie konnte ich so glücklich Bilanz ziehen wie in dieser schönen Woche. Denn das, wofür wir jahrelang im Schweiße unseres Altensackgesichts und Seite an Seite mit starken Frauen gekämpft haben, geht wundersamerweise in Erfüllung.

Die optimistische Weltsicht und die in der Satzung von 2018 verankerte Überlebenseinstellung des taz Panter FC setzt sich auf ganzer Linie durch. Was wurden wir belächelt und mitleidig aufgemuntert, die müden Schultern schmerzten schon vom Klopfen. Und nun, siehe da, betrachten plötzlich alle die Welt wie wir nach einem 0:10. Immerhin die ersten zehn Minuten ohne Gegentreffer überstanden und kein einziges Eigentor im ganzen Spiel! Keine Verletzten! Und deutlich besser als in der Vorsaison beim 0:12! Wadenkrämpfe ja, Weinkrämpfe nein!

Kein Eigentor

So halten es jetzt auch die bisher stets zu traurigem Jammern aufgelegten Medienschaffenden in Deutschland. Was auch immer passiert, und sei es noch so niederschmetternd, irgendwas ist trotzdem gut und liefert Grund zur freudigen Erleichterung. Gewinnt beispielsweise eine Partei, die lügt, betrügt und von einem rechtsradikalen Narzissten angeführt wird, nicht ganz so hoch wie vorher befürchtet, lässt der neue Polit­sender ProSieben das aufgeregte Publikum aufatmen: „Trumps Republikaner verpassen Erdrutschsieg“. Ja, und die Demokraten haben diesmal kein Eigentor geschossen!

Okay, bei ProSieben sind sie halt sehr bescheiden, da wurden sogar stolpernde Kanzlerkandidatinnen von ihren FragestellerInnen begeistert für ihre Anwesenheit beklatscht. Aber die neue positive Haltung teilen alle.

Kein Erdrutsch

„Rote Welle bleibt aus“, entwarnt Zeit Online metaphorisch Bezug nehmend auf die republikanischen Vereinsfarben, die seltsamerweise sozialistisch aussehen, aber das Gegenteil bedeuten. Es gibt „Kein Chaos, keinen Durchmarsch“, beruhigt tagesschau.de, dafür „ein ermutigendes Signal“ (laut Tagesspiegel). Auch in der taz rollt „Keine Trump-Lawine“. Am schönsten bringt es das Schweizer Journal 21 auf den Punkt: „Die rote Welle ist kein Erdrutsch“. Und es stimmt ja, bisher floss kein Blut, nichts stürzte ein und alles hätte schlimmer kommen können.

Ob der aufstrebende, smarte Trump-Rivale Ron DeSantis sogar noch gefährlicher sein mag als der irre Alte, werden wir früh genug erfahren. Ich verdränge auch lieber noch ein bisschen, dass der Vorletzte Panter FC am Montag auf den Tabellensiebten trifft. Und wo wenig Hoffnung ist, hilft jeder kleinste Schimmer, auch wenn man keine blasse Ahnung hat, was er verheißt.

Kein Elend

Verständlicherweise freuten sich diese Woche viele über den ukrainischen Landgewinn in Cherson. Nicht nur die Frankfurter Rundschau sah darin einen „neuen Rückschlag für Russland“. Auch wenn Putins Rückzug vielleicht nur eine fiese Falle ist, um per Staudammsprengung den ganzen Landstrich zu überfluten. Aber die Meldung machte doppelt Mut, denn so erfuhr man auch, dass die gute alte FR offenbar ebenfalls weiter durchhält.

So können wir es alle schaffen! Auch innenpolitisch jagt in dieser segensreichen Woche eine gute Nachricht die nächste: „Regierung erwartet 2023 Rückgang der Inflation“, frohlockt ntv.de, relativiert das im Kleingedruckten leicht, behält aber auch da die pantereske Contenance: „Die Inflation bleibt hoch, soll im kommenden Jahr aber nicht so dramatisch ausfallen wie befürchtet.“ Nur 7,4 Prozent, na dann.

Kein Endlager

Wer sich trotz allem weiter finanzielle Sorgen machen muss, wird mit kleinen Tricks getröstet: Hartz IV heißt seit Donnerstag offiziell Twix, und 50 Euro mehr ist besser als nix.

Summa summarum könnte es keine schönere Stimmung geben, um voller Zuversicht die wochentaz zu starten, den taz-Gründungsauftrag in neuer Form weiterzuerfüllen – und die Suche nach einem Atomendlager kritisch zu begleiten. Die dauert nach neuester Verlautbarung doch noch länger als bis 2031. Gut! Wir haben also einen langfristigen Daseinszweck, vielleicht nicht für ewig, aber länger als befürchtet.

Nächste Woche: Nina Apin