Politische Gefangene in Nicaragua: Freiheit für Dora María Téllez
Die bekannte frühere sandinistische Kommandantin sitzt seit vergangenem Jahr in Nicaragua in Haft. Ein offener Brief fordert nun ihre Freilassung.
Unterzeichnet ist das Schreiben von mehr als 1.380 Intellektuellen aus Europa, Lateinamerika und den USA. Darunter sind auch zahlreiche Veteraninnen und Veteranen der deutschen Solidaritätsbewegung.
Gefordert wird, dass Téllez, die seit 2021 in Haft sitzt, nach Paris ausreisen darf, wo sie am 28. November die Ehrendoktorwürde der Universität Sorbonne entgegennehmen soll. Lanciert wurde der Brief von französischen Solidaritätsgruppen, Menschenrechtsorganisationen und Gewerkschaften.
Die heute 67-jährige Dora María Téllez war als „Comandate Dos“ eine der herausragenden Figuren der sandinistischen Revolution. Anders als der heutige Machthaber Daniel Ortega, der die entscheidenden Jahre im Exil verbringen konnte, hat sie sich während des Volksaufstands gegen den Diktator Somoza 1978/79 in vorderster Front bewährt.
Frühere Führungsriege sitzt im Gefängnis
Nach der siegreichen Revolution diente sie als Gesundheitsministerin und absolvierte ein Studium der Geschichte. Mit Daniel Ortega brach sie endgültig 1994, als sie mit dem Schriftsteller Sergio Ramírez und anderen führenden Protagonisten der Revolution die Sandinistische Erneuerungsbewegung (MRS) gründete. Diese Partei, die sich heute Unamos nennt, wurde 2008 aus vorgeschobenen formalen Gründen verboten.
Ihre Führungsriege sitzt seit Mitte vergangenen Jahres im Gefängnis. Andere Oppositionelle konnten rechtzeitig über die Grenze flüchten. Vom Regime aus dem Land geworfen wurden auch der apostolische Nuntius und die Botschafterin der Europäischen Union.
Téllez, der Soziologe Irving Larios, der Journalist Miguel Mendoza sowie der Anwalt Róger Reyes traten Ende September in einen Hungerstreik, um gegen ihre Haftbedingungen zu protestieren. Diese widersprechen mit Isolation, Dunkelhaft, Verbot von Familienbesuchen und Lektüre nicht nur internationalen Standards, sondern auch der nicaraguanischen Rechtsordnung. Der ehemalige Guerillakommandant und General der nicaraguanischen Armee, Hugo Torres, ist im vergangenen Februar an der foltergleichen Misshandlung gestorben.
Vor über 40 Jahren hatte Tomás Borge, der spätere sandinistische Innenminister, durch einen Hungerstreik noch seinen Gefängnisalltag verbessern können. Dora María Téllez war im August 1978 führend an der Geiselnahme im Nationalpalast beteiligt, die ihn und andere gefangene Sandinisten aus dem Kerker holte.
Machthaber Daniel Ortega und seine Frau Rosario Murillo haben sich jetzt für alle internationalen Vermittlungsversuche völlig unzugänglich gezeigt. Zuletzt hatte sich Kolumbiens neuer linksliberaler Präsident Gustavo Petro dabei eine brüske Abfuhr geholt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Negativity Bias im Journalismus
Ist es wirklich so schlimm?
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Künstler Mike Spike Froidl über Punk
„Das Ziellose, das ist doch Punk“
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen