piwik no script img

Philippinischer Präsident Marcos Jr.„Alter Wein in neuen Schläuchen“

Die erste 100-Tage-Bilanz des philippinischen Staatschefs fällt dürftig aus. Nicht einmal einen Gesundheitsminister hat Marcos Jr. bislang ernannt.

Um die Menschenrechte ist es schlecht bestellt: der philippinische Präsident Ferdinand Marcos Jr Foto: Aaron Favila/ap

Kuala Lumpur taz | „Bisher regiert Marcos nicht mit eiserner Faust“, sagt Carmelo Victor A. Crisanto über den seit Ende Juni amtierenden Präsidenten der Philippinen. Als Direktor der staatlichen Human Rights Violations Victims Memorial Commission, der Planung und Bau eines Museums zum Gedenken an die Opfer der Diktatur des gleichnamigen Vaters des heutigen Präsidenten obliegt, ist Crisanto kein Freund des Marcos-Clans. Pläne, Grundstück und Budget für das staatliche Museum sind vorhanden. Im Prinzip zumindest. Doch ob und wenn ja, in welcher Höhe die Mittel freigegeben werden, ist noch offen.

Denn Präsident Ferdinand „Bongbong“ Marcos Jr. preist die Regierungszeit seines Vaters, der 1965 gewählt worden war und von 1972 bis 1986 die Philippinen diktatorisch regierte, als „goldenes Zeitalter“. Zu dessen 105. Geburtstag am 11. September beschwor Marcos Jr. bei einer privaten Gedenkfeier der Familie die „Wiedergeburt seiner Träume, seiner Weisheit und seiner Liebe für das Land“ als Grundlage der eigenen Präsidentschaft.

Möglicherweise ist die staatlich sanktionierte Geschichtssäuberung schon in den Budgetkürzungen für kulturelle Institutionen im ersten Haushalt der Marcos-Präsidentschaft vorgesehen: Das Nationalarchiv muss mit 25 Prozent weniger Mitteln auskommen, die Nationale Geschichtskommission mit 27 Prozent, die Nationalbibliothek mit knapp 23 Prozent und die Nationale Kommission für Kultur und Sport mit satten 84 Prozent.

Um die Menschenrechte und Pressefreiheit war es in den ersten 100 Tagen der Marcos-Regierung wie schon in der Regierungszeit seines Vorgängers Rodrigo Duterte schlecht bestellt. Zwei Journalisten wurden bereits erschossen, 14 weitere wegen Verleumdungen angeklagt, erhielten Morddrohungen, wurden schikaniert oder als „Rote“ diffamiert.

Noch nicht alle Kabinettsposten besetzt

„Die ersten 100 Tage der Präsidentschaft von Ferdinand Marcos Jr. lassen sich am besten als ‚alter Wein in neuen Schläuchen‘ charakterisieren“, sagt Phil Robertson, der Asien-Experte von Human Rights Watch, der taz.

Viele in den Philippinen sind irritiert, dass auch 100 Tage nach der Vereidigung des Präsidenten noch immer nicht alle Kabinettsposten besetzt sind. Obwohl die Philippinen besonders stark von der Coronapandemie betroffen sind, hat Marcos noch immer keinen Gesundheitsminister oder -ministerin ernannt.

Für große Bedenken unter Menschenrechtsorganisationen sorgte der inzwischen 62-jährige Marcos mit der Berufung eines loyalen Unterstützers zum Vorsitzenden der staatlichen Menschenrechtskommission. Offenbar versuche Marcos mit der „Kastration“ der Menschenrechtskommission die unabhängige Institution daran zu hindern, die Menschenrechtspolitik seiner Regierung zu kontrollieren, befürchtet Robertson.

In den ersten 100 Tagen seiner Präsidentschaft verkündete Marcos Jr. aber auch manche wohlklingenden Politikinitiativen. In seiner Rede vor der UN-Vollversammlung im September in New York stellte er den Kampf gegen den Klimawandel in den Vordergrund, sind doch die Philippinen eines der am stärksten von der Erderwärmung betroffenen Länder.

Den Drogenkrieg seines Vorgängers Duterte will Marcos Jr. fortsetzen, aber mit dem Schwerpunkt auf Prävention und Rehabilitation statt der Ermordung mutmaßlicher Drogenkrimineller.

Vor dem Hintergrund der weltweiten Krisen hat Marcos, der zugleich Agrarminister ist, auch die Landwirtschaft und die Ernährungssicherheit der ­Philippinen zu einer Toppriorität erklärt. Aber seinen Worten müssen noch Taten folgen.

Außenpolitisch setzt Marcos auf einen unabhängigen Kurs, obwohl er sich wieder stärker an den traditionellen Verbündeten USA annähert, mit dem sich Duterte überworfen hatte.

„In Bezug auf unseren Platz in der Gemeinschaft der Nationen sollen die Philippinen weiterhin allen ein Freund sein. Und ein Feind für niemanden“, sagte Marcos in seiner ersten Rede an die Nation am 25. Juli. Darin betonte er aber auch mit Verweis auf den anhaltenden territorialen Streit um Inseln und Riffe mit China im Südchinesischen Meer „nicht einmal einen Quadratzentimeter des Territoriums des Landes“ an eine „ausländische Macht abtreten“ zu wollen.

Für Unmut sorgte der einst als „Partyboy“ bekannte Marcos Jr. mit einem Luxustrip zum Formel-1-Rennen nach Singapur Ende September, während in der Heimat Tausende Menschen unter den Folgen des Taifuns „Noru“ litten. Er bezeichnete gegenüber heimischen Medien sein fröhliches Wochenende an der Rennstrecke als Förderung der philippinischen Wirtschaft: „Man sagt, Golfspielen ist der beste Weg, um Geschäfte anzubahnen. Ich aber sage, es ist die Formel 1.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • so traurig es auch ist, er wurde vom Volk gewählt



    also hat das Volk die Regierung die es verdient



    liberalere Führer zerfetzen sich gegenseitig bis solche Dutertes, Marcos, Bolsoneros oder Erdogans und und und überbleiben



    halte ein Oppositiönchen am Leben damit sie sich selbst zerhackt und am Ende die Schuld an Allem trägt