Neuer Präsident auf den Philippinen: Marcos 2.0 übernimmt

In Manila nimmt der Sohn des Ex-Diktators Ferdinand Marcos seine Arbeit als Präsident auf. Oppositionelle und Diktatur-Überlebende bereiten sich vor.

Menschenmassen demonstrieren

In Quezon City warnen Ak­ti­vis­t:in­nen vor Menschenrechtsverletzungen durch Präsident Marcos Foto: B. Sepe/imago

MANILA taz | 36 Jahre nach dem Sturz des Diktators Ferdinand Marcos kehrt mit dessen gleichnamigen Sohn Ferdinand „Bongbong“ Marcos, genannt BBM, dessen Familie in Manilas Präsidentenpalast Malacañang zurück. Vor dem Nationalmuseum als Ort der Vereidigung von Marcos junior an diesem 30. Juni stutzen Arbeiter in orange Westen mit der Aufschrift „Übergangsteam des gewählten Präsidenten BBM“ Bäume, während Arbeiter unter den Augen schwer bewaffneter Polizisten die Tribüne für das Spektakel aufbauen.

Überlebende der Marcos-Diktatur werden am 30. Juni im benachbarten Quezon City vor einer schwarzen Marmorwand mit den Namen Hunderter Opfer schwören, auch unter Marcos jr. „gegen die Tyrannei und Falschheit und für Recht und Freiheit der Menschen“ zu kämpfen. „Die Überlebenden sind eine verschwindende Spezies, vielleicht sogar eine gefährdete“, sagt Tina Bawagan, eine der Organisatorinnen des „Eids für das Land“. Der Junior hatte die Diktatur seines Vaters als „goldenes Zeitalter“ gepriesen.

Doch Massenproteste gegen das Comeback des Marcos-Clans sind derzeit nicht zu erwarten. „Wogegen soll man auch protestieren? Wir wissen nicht, was Marcos vorhat. Er hatte kein Wahlprogramm veröffentlicht“, sagt Wilnor Papa von Amnesty International Philippinen.

Auskunft über die Politik von Marcos lässt auch die bisher bekannte Zusammensetzung seines Kabinetts nur bedingt zu. Der 64-Jährige hat teils wirtschafts- und finanzpolitisch erfahrene Politiker berufen, die schon in früheren Regierungen Minister waren. Eine wichtige Position wie die des Menschenrechtskommissars wurden aber noch nicht besetzt.

Duterte bleibt beliebt

Für die im Wahlkampf atomisierte liberale Opposition und für philippinische Menschenrechtler ist die Berufung des bisherigen Justizministers Menardo Guevarra zum Generalstaatsanwalt beunruhigend. In seiner neuen Funktion wird er wieder zuständig sein für „Red Tagging“, wie die Diffamierung, Verfolgung und manchmal auch Ermordung von Aktivisten und Regierungskritikern genannt wird.

Guevarra muss darüber hinaus umgehen mit der Klage vor dem Internationalen Strafgericht (IStGH) in Den Haag wegen der Menschenrechtsverletzungen im Drogenkrieg des scheidenden Präsidenten Rodrigo Duterte. IStGH-Chefermittler Karim Khan hatte sich vergangene Woche für die Wiederaufnahme der Ermittlungen ausgesprochen, weil die von Guevarra versprochenen Ermittlungen der philippinischen Justiz substanzlos blieben.

Laut philippinischer Polizei wurden rund 6.500, laut Menschenrechtlern bis zu 30.000 angebliche Drogenkriminelle unter Duterte erschossen. Doch habe er so die Straßen wieder sicher gemacht, glaubt eine große Mehrheit der Bevölkerung. Auch deswegen liegen Dutertes Popularitätswerte immer um märchenhafte 80 Prozent

Für Überraschung sorgte jetzt die Berufung von Clarita Carlos als nationale Sicherheitsberaterin von Marcos jr. In dieser ­Funktion wird die 75-jährige Akademikerin stellvertretende Vorsitzende der „National Task Force on Ending Local Armed Conflict“ sein. Diese gilt als verantwortlich für das „Red Tagging“. Carlos kündigte an, diese Praxis zu beenden, weil sie „­wenig ef­fektiv“ sie. Opfer der Diffamierungen wie Aurora Parong (72), die während der Marcos-Diktatur eine politische Gefangene war, bezweifeln, dass sich die Akademikerin Carlos gegen das Militär wird durchsetzen können.

Ein historischer Treppenwitz ist die Ernennung des 98 Jahre alten Juan Ponce Enrile zum Rechtsbeistand des Präsidenten. Als Justiz- und Verteidigungsminister von Marcos sr. war Enrile zentral für die Vollstreckung des Kriegsrechts, bevor er 1986 maßgeblich zum Sturz von Marcos sr. beitrug – wofür er sich später bei dem Clan entschuldigte.

Scheidender Präsident plant Drogenkrieg

Seiner Vizepräsidentin Sara Duterte hat Marcos das Bildungsministerium übertragen. Lieber wäre die Tochter des scheidenden Präsidenten Rodrigo Duterte Verteidigungsministerin geworden. „Das hat Marcos verhindert. Das Militär in der Hand des Duterte-Clans hätte ihm gefährlich werden können“, sagt ein Diplomat in Manila, der nicht namentlich genannt werden will.

Duterte will in seiner Heimatstadt Davao wieder in den Drogenkrieg ziehen

Die Ankündigung der 44-jährigen Duterte, sie wolle eine „patriotischen Generation“ fördern, verstehen Menschenrechtler als Plan zur Säuberung der Geschichtsbücher von Kritik an der Marcos-Diktatur. „Wir haben unser Archiv über die Zeit der Diktatur bereits in Sicherheit gebracht“, sagt Emmanuel Amistad von der damals entstandenen Menschenrechtsorganisation „Task Force Detainees of the Philippines“.

Gleichwohl bleibt Sara Duterte zusammen mit anderen Frauen wie der Senatorin und Präsidentenschwester Imee Marcos, Ex-Präsidentin Gloria Macapagal Arroyo und der Marcos-Ehefrau Louise ein politisches Kraftpaket, zumal sie allesamt in der Öffentlichkeit für politisch gewitzter als Marcos jr. gehalten werden. „Sowohl Imee Marcos als auch Sara Duterte gelten als potenzielle Kandidatinnen bei der Präsidentschaftswahl in sechs Jahren“, so der Diplomat.

Marcos jr. tritt jetzt in schwieriger Zeit sein Amt an. Die Folgen der Coronpandemie sind zu bewältigen; der Konflikt mit China im Südchinesischen Meer dauert trotz Dutertes Hinwendung zu Peking an, und auch die Philippinen leiden unter Versorgungsengpässen und Inflation. Hinzu kommen Staatschulden von umgerechnet 219 Milliarden Euro.

Duterte, dem die Verfassung nur eine Amtszeit gewährte, schmiedet nun Zukunftspläne. Neuerdings will er in seiner Heimatstadt Davao wieder in den Drogenkrieg ziehen. Dort hatte er als langjähriger Bürgermeister Todesschwadrone auf Kleinkriminelle losgelassen.

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