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Bäcker nutzen den Wahlkampf für sich

Zur Bäcker-Demo kommen in Niedersachsen selbst der Ministerpräsident und sein Wirtschaftsminister. Die Grünen müssen sich ausbuhen lassen

Von Nadine Conti

Seit Wochen mobilisiert das Bäckerhandwerk – mit Videos, die in den sozialen Netzwerken viral gehen, mit der Aktion „Licht aus“ in der vergangenen Woche. Aus gutem Grund: Die Handwerksbetriebe trifft die Krise doppelt und dreifach – die gestiegenen Rohstoffpreise gesellen sich zu gestiegenen Mindestlöhnen und unbezahlbaren Energiekosten. Bäckereien benötigen nun einmal viel Strom für die Kühlung, viele Öfen laufen mit Gas, viele zahlen neuerdings das Zehnfache der Summe, die sie sonst aufbringen müssen.

Deshalb sind sie nun in Hannover auf die Straße gegangen – für viele erkennbar die erste Demo ihres Lebens. Mit einer Versammlung vor dem Rathaus und einem Autokorso durch die Stadt versuchten sie auf ihr Anliegen aufmerksam zu machen. Immerhin tagen in Hannover zeitgleich die Energieminister der Länder – und es ist Landtagswahlkampf.

Und die niedersächsischen Spitzenpolitiker waren prompt zur Stelle: Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU), Spitzenkandidat Stefan Birkner (FDP) und Spitzenkandidatin Julia Hamburg (Grüne) beeilten sich, dem Bäckerhandwerk die vollste Solidarität und Unterstützung zu versichern – auch wenn sie wenig mehr versprechen konnten als „irgendwas muss da passieren“. Konkrete Maßnahmen wie etwa eine Energiepreisbremse sind nur auf Bundesebene, wenn nicht sogar auf EU-Ebene zu treffen.

Vor allem die Grüne Julia Hamburg hatte dabei einen schweren Stand – sie wurde fast durchgehend von Buhrufen übertönt. Der Fauxpas des Bundeswirtschaftsministers Robert Habeck (Grüne) empört die Mittelständler immer noch. Mehrfach hieß es in den Reden – in Anspielung auf seinen verhaspelten Talkshow-Auftritt – man könne ihm ja gern noch einmal erklären, was eine Insolvenz sei.

Unter die demonstrierenden Bäcker und ihre Angestellten hatten sich auch Protestierende mit einer ganz anderen Agenda gemischt. Auf Telegram und anderen Kanälen hatten Querdenker dazu aufgerufen, sich die Proteste zunutze zu machen. Die „Kriegstreiber“- und „Lügner“-Rufe, die während der Rede von Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) einsetzten, wurden jedoch von ein paar kräftigen Bäckermeistern und ihren Gesellen rasch zum Verstummen gebracht.

Für den gleichen Abend hatte ein ziviles Bündnis aus Gewerkschaften, Landesarmutskonferenz und mehreren linken Bündnissen eine Kundgebung in der Innenstadt angemeldet, die bei Redaktionsschluss noch lief. Sie fordern weitere Entlastungen für die Bür­ge­r*in­nen am unteren Ende des Einkommensspektrums und verstehen ihren Protest ausdrücklich als Versuch, die Straße nicht allein Verschwörungstheoretikern und Rechten zu überlassen.

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