Kämpfe im Südkaukasus: Angriff ohne Konsequenzen

Trotz Angriffen auf Armenien droht die Bundesregierung Aserbaidschan nicht mit Sanktionen: Man wisse nicht, wer schuld an der Eskalation sei.

Zerstörte Fassade

Ein Beschädigtes Gebäude in der Stadt Jermuk, Armenien Foto: Stephan Poghosyan/Photolure/ via reuters

BERLIN taz | Die Bundesregierung zieht vorerst keine Konsequenzen aus armenischen Berichten, denen zufolge das aserbaidschanische Militär Ortschaften im Inneren des Landes angreift. „Die Bundesregierung ist zutiefst besorgt über Berichte über Kampfhandlungen entlang der armenisch-aserbaidschanischen Grenze“, sagte ein Sprecher von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) am Mittwoch in Berlin. Man fordere beide Länder auf, „den Dialog fortzusetzen“.

Es lasse sich allerdings „mangels unabhängiger internationaler Beobachter vor Ort“ nicht überprüfen, wer die Schuld an der Eskalation der letzten Tage trage. Entsprechend seien Fragen nach Sanktionen oder anderen Folgen für das aserbaidschanische Regime „spekulativ“.

Seit der Nacht zu Dienstag wird zwischen den beiden Ländern im Südkaukasus wieder intensiv gekämpft. Der Konflikt dreht sich diesmal nicht primär um die umstrittene Region Berg-Karabach wie während des Krieges im Jahr 2020. Stattdessen beschießt Aserbaidschan nach Angaben des armenischen Militärs und armenischer Medien Ziele im Landesinneren und an den Grenzen im Süden des demokratisch regierten Landes.

Aserbaidschan behauptet, lediglich auf armenische Sabotageaktionen reagiert zu haben, dementiert eigene Aggressionen und spricht von fortgesetztem armenischem Artilleriebeschuss auf aserbaidschanisches Gebiet. Trotz einer mithilfe Russlands vereinbarten Feuerpause gingen die Kämpfe auch am Mittwoch weiter.

In Deutschland ergreift anders als die Bundesregierung die Linkspartei klar Partei: Die Regierung müsse die „Angriffe Aserbaidschans“ als „Akt der Aggression“ verurteilen, sagte die Bundestagsabgeordnete Sevim Dağdelen. Es sei beschämend, dass sowohl Baerbock als auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zum Angriff des aserbaidschanischen „Autokraten und neuen EU-Energiepartners Alijew auf das Nachbarland schweigen“.

Mehr Gas für Europa

In Folge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine hatte die EU im Sommer eine neue Energiepartnerschaft mit Aserbaidschan beschlossen. Um das Ziel zu erreichen, von russischen Rohstoffen unabhängig zu werden und die eigenen Energiequellen zu diversifizieren, verhandelte von der Leyen ein Abkommen mit dem aserbaidschanischen Präsidenten Ilham Alijew. Bis 2027 sollen die Gaslieferungen aus Aserbaidschan in die EU mehr als verdoppelt werden. Am Mittwoch ging die Kommissionspräsidentin in ihrer Rede zur Lage der Union vor dem EU-Parlament nicht auf die aktuellen Kämpfe ein.

Der Grünen-Abgeordnete Toni Hofreiter, Vorsitzender des Europaausschusses im Bundestag, verteidigt das Abkommen, forderte aber dennoch Druck des Westens sowohl auf Armenien als auch auf Aserbaidschan, die Kampfhandlungen einzustellen.

„Weil die erneuerbaren Energien nicht schnell genug ausgebaut wurden, kommen wir momentan nicht um fossile Energien aus Autokratien herum“, sagte Hofreiter der taz. „Von Russland haben wir uns in der Vergangenheit besonders abhängig und damit erpressbar gemacht. Von Aserbaidschan sind wir nicht in gleichem Maße abhängig. Umso wichtiger ist es, dass wir unsere Möglichkeiten nutzen und Druck auf Baku ausüben.“

Unklarheit gab es am Mittwoch über eine militärische Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Aserbaidschan. Die Regierung in Baku berichtete in der vergangenen Woche über Gespräche mit einem Bundeswehrvertreter zum Stand eines „Programms zur bilateralen Militärkooperation“. Nach Angaben der deutschen Verteidigungsministeriums unterhält die Bundeswehr „wie mit vielen Staaten in der Region auch mit Aserbaidschan Dialog- und Kooperationsbeziehungen“. Informationen darüber lege man „Dritten gegenüber“ aber nicht offen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.