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Poetik mit Kindern

Eine Art Tür-und-Angel-Literatur: Auf dem Internationalen Literaturfest Berlin sprachen Julia Weber und Nicole Seifert über die Arbeitsbedingungen von Autorinnen

Von Susanne Messmer

Es ist wie so oft bei diesem Internationalen Literaturfestival Berlin. Da will die interessierte Leserin zu einem neuen Stern am schwedischen Literaturhimmel, hetzt sich ab, um rechtzeitig im entlegenen Haus der Berliner Festspiele zu sein, stellt dann fest, dass die anvisierte Lesung ja erst am Tag drauf ist, und findet sich plötzlich in einer Veranstaltung wieder, die sie anders vielleicht gar nicht wahrgenommen hätte, die sich aber als absoluter Glückstreffer erweist.

Auf dem Podium sitzen die Schweizer Schriftstellerin Julia Weber und Nicole Seifert. Julia Weber hat in diesem Jahr mit „Die Vermengung“ ein so humorvolles wie relevantes Buch über die Zerrissenheit zwischen Mutterpflichten und literarischen Ambitionen geschrieben – und Nicole Seiferts zweites Buch „Frauen Literatur“ analysiert, warum die Literatur von Frauen seit Jahrhunderten und bis heute je nachdem als „Menstruations-„, „Befindlichkeits-“ oder „Trivialliteratur“ abgewertet wird. In ihrem Blog nachtundtag schreibt Seifert darum ausschließlich über Literatur von Autorinnen, mit ­ihrer Kollegin Berit Glanz hat sie in #vorschauenzählen Verlagsprogramme in Hinblick auf Gender­ungleichheit ausgewertet.

Auch Julia Weber weiß über das, was Nicole Seifert und Studien wie #frauenerzählen oder MehrWertStudie der Bücherfrauen bewiesen haben, ein Lied zu singen: In allen Medien, mit Ausnahme von Frauenzeitschriften, werden männliche Autoren häufiger besprochen, Männer schreiben mehr über Männer und Frauen meistens auch, der Paygap in der Buchbranche beträgt im Schnitt 28 Prozent, also noch mal 10 Prozent höher als der durchschnittliche Gender-Pay-Gap in Deutschland – und die meisten Aufenthaltsstipendien sind nicht für Menschen konzipiert, die Kinder haben.

Darum hat Weber das feministische Autorinnen Kollektiv RAUF gegründet – erzählt aber darüber hinaus im Haus der Berliner Festspiele auch sehr mitreißend von der Schwierigkeit, gleichzeitig Familie und literarischen Erfolg haben zu wollen. Vor allem aber berichtet Weber, wie sie sich nach der Ankunft der Kinder von der Vorstellung verabschieden müssen, „dass man im Kämmerchen sitzt und ganz lang auf die geniale Idee warten kann“. Im Grunde habe sie eine ganz neue Poetik finden müssen: Weg vom durchkonzipierten Roman mit langem Atem, hin zu einer Vermischung von Essay, Erfahrungsbericht und Fiktion, einer Art Tür-und-Angel-Literatur also, wie sie bereits die feministische DDR-Autorin Irmtraud Morgner in den siebziger Jahren betrieb – oder wie sie jetzt wieder von Autorinnen wie der US-amerikanischen Schriftstellerin und Essayistin Maggie Nelson geschrieben wird.

Apropos Maggie Nelson: Obwohl es so ist, wie es ist, kommen Julia Weber und Nicole Seifert am Ende ihres von Literaturkritikerin Miriam Zeh sympathisch moderierten Gesprächs zu optimistischen Schlüssen. Man habe begonnen, offen über Geld zu sprechen und Strategien zu entwickeln, bei Honorargesprächen fordernder zu werden, so Nicole Seifert. Eigentlich gab es doch in letzter Zeit von Simone Hirth bis Julia Friese ja sehr viele tolle feministische Neuerscheinungen, sind feministische Themen ja fast eine Mode geworden, so Julia Weber. Denn auch, wenn es eigentlich egal ist, woher ein*e Au­to­r*in kommt und welches Geschlecht oder welche Hautfarbe sie oder er hat: Solange Frauen anders behandelt werden als Männer, zitiert Nicole Seifert Simone de Beauvoir, so lange werden sie auch anders schreiben. Vielleicht, denkt sich sie Leserin beim Übergang in die nächste Veranstaltung, ist das ja auch interessanter so.

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