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Der Radverkehr braucht noch viel mehr Platz

Der Deutsche Verkehrsgerichtstag hat Empfehlungen für mehr Sicherheit im Radverkehr beschlossen. An Platz 1: Neuaufteilung des Verkehrsraums

Der Radverkehr nimmt seit Jahren stark zu – und mit ihm die Zahl der Unfälle

Von Joachim Göres

„Mehr Radverkehr mit mehr Verkehrssicherheit – wie schaffen wir das?“ Darüber diskutierten auf dem Deutschen Verkehrsgerichtstag in Goslar kürzlich 200 Fachleute aus Justiz, Behörden, Verbänden, Politik und Wissenschaft.

An erster Stelle ihrer Empfehlungen steht die Neuaufteilung des Verkehrsraums zugunsten des Fahrrads. Mehr Platz, so ihre Erkenntnis, erhöht die Sicherheit von RadfahrerInnen. Arne Koerdt, Abteilungsleiter im Verkehrsministerium in Baden-Württemberg, sagte auf der Tagung: „Um mehr Platz für den Radverkehr zu schaffen, muss man Autos fürs Fahren und Parken Fläche wegnehmen. Dafür braucht es politischen Mut.“ Zwar rege sich dagegen auch Protest, doch dem hält er entgegen: „Wir haben in Baden-Württemberg eine repräsentative Befragung durchgeführt, wonach 77 Prozent weniger Autoverkehr befürworten.“

Da Radfahren das Klima schont, soll es in den nächsten Jahren weiter gefördert werden. Doch bereits in den letzten Jahren hat der Radverkehr stark zugenommen – und mit ihm die Zahl der Unfallopfer. 2021 kamen 372 RadfahrerInnen bei Verkehrsunfällen in Deutschland ums Leben, 14.966 wurden schwer verletzt. Erstmals sind 2020 innerorts mehr Menschen mit einem Fahrrad als mit dem Pkw verunglückt.

KritikerInnen beklagen häufig zu schmale oder fehlende Fahrradwege. So gibt es nur an 18 Prozent der Kreisstraßen, an 27 Prozent der Landstraßen und 41 Prozent der Bundesstraßen Fahrradwege. Auf der Tagung in Goslar wurde die geringe Zahl durchgängig befahrbarer Radwegnetze bemängelt. Als besonders risikoreich gelten zudem Grundstückszufahrten wie Firmengelände, Tankstellen und Supermärkte, fast jeder fünfte Radunfall mit einem Pkw ereignet sich hier. ExpertInnen beobachten zudem immer häufiger rücksichtsloses Verhalten, wenn Auto- und Radfahrer aufeinandertreffen, das sich unter anderem in häufig zugeparkten Radwegen äußert.

Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) hat in Goslar angekündigt, die in diesem Jahr im Bundeshaushalt vorgesehenen Mittel für die Fahrradinfrastruktur in Höhe von mehr als 750 Millionen Euro bis 2028 „verstetigen“ zu wollen. Deutschland solle Fahrradland werden. Dazu zählen für ihn breite Radwege mit mindestens 2,50 Meter je Richtung und der massive Ausbau von Fahrrad-Parkhäusern und diebstahlsicheren Abstellplätzen. Dagegen ließ Wissing offen, ob und wann das Straßenverkehrsgesetz novelliert wird. Die Novelle wäre nötig, um die Straßenverkehrsordnung entsprechend verändern zu können. Die derzeitige Regelung, so kritisiert etwa der ADFC, behindere das Anlegen von Radfahrstreifen und die Anordnung von Tempo 30. Die neue Bundesregierung hatte sich darauf geeinigt, dass das Straßenverkehrsgesetz um Ziele wie Klima-, Umwelt- und Gesundheitsschutz ergänzt werden soll.

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