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das wird„Mehr Frauen hinter der Kamera“

In Hamburg beginnt das „Unerhört! Musikfilmfestival“

Ralf Schulze

58, ist promovierter Volkswirt. 2007 initiierte der Medienunternehmer das Festival und leitet es bis heute.

Interview Wilfried Hippen

taz: Ralf Schulze, was begeistert Sie so an der Verbindung zwischen Musik und Film?

Ralf Schulze: Die beiden haben einander schon immer befruchtet: Bei den Stummfilmen gab es Musikbegleitung, der erste Tonfilm „The Jazz Singer“ von 1927 war ein Musikfilm, in den 1930- und 1940er-Jahren kamen die Musicals, in den 1950ern die Elvis-Filme, dann „Woodstock“ und „Tommy“.

Wenn es im Kino so viel Musik gibt, warum dann auch noch ein Festival für Musikfilme?

Als Musiknerd habe ich mir solche Filme immer gerne angesehen, aber noch vor ein paar Jahren gab es kein Forum für sie, auf Festivals waren sie unterrepräsentiert. Jetzt bekommen Filme wie „Bohemian Rhapsody“ Oscars – aber 2007 waren wir das erste Musikfilmfestival in Deutschland.

Die musikalische Bandbreite in Ihrem Programm ist beeindruckend: von Italo-Disco und Afro-House bis zum Avantgardisten Karlheinz Stockhausen. Und einen Schwerpunkt bildet die Musik türkischer Migrant*innen.

Ja, der Eröffnungsfilm „Aşk, Mark ve Ölüm – Liebe, D-Mark und Tod“ von Cem Kaya stellt Tür­k*in­nen in Deutschland vor, die mit ihrer Musik ein Stück Heimat in der Fremde haben. Und „Leave The Door Open“ von Ümran Safter ist ein Porträt von Ahmet und Nehusi Ertegun, die aus der Türkei in die USA auswanderten und dort das berühmte Plattenlabel Atlantic Records gründeten.

Apropos Label: „Fidel Bastro – The Movie“ widmet sich einer Hamburger Plattenfirma.

Das Label „Fidel Bastro“ feiert seinen 30. Geburtstag und nach der Vorstellung am Freitag im Alabama spielt die Band Boy Division.

Dieser Film ist von 2012 – der einzige des Festivals, der so alt ist.

Wir würden gerne auch Retrospektiven über interessante Fil­me­ma­che­r*in­nen machen, aber das gibt das Budget nicht her. Und dieser Film wurde bis jetzt nur zweimal öffentlich gezeigt.

„Unerhört! Musikfestival“: 7.–10. 9., Hamburg, B-Movie, 3001- und Alabama-Kino sowie Stadtteilkulturzentrum Haus Drei. Alle Infos: www.unerhoert-filmfest.de

Nun gibt es bei Ihnen die erwähnte Vielfalt in der thematisierten Musik. Aber unter den 17 Filmen im diesjährigen Programm findet sich kein einziger Spielfilm. Warum diese stilistische Beschränkung?

Unter den 350 Filmen, die wir für die Auswahl gesichtet haben, waren 95 Prozent Dokumentarfilme. Für uns ist das Festival wie eine musikalische Weltreise, bei der im besten Fall der Horizont der Zu­schaue­r*in­nen erweitert wird. Und bei einem Dokumentarfilm haben die Fil­me­ma­che­r*in­nen eine größere Verantwortung, während im Spielfilm alles sowieso Fiktion ist.

Ist diesmal etwas besonders?

Wir haben zum ersten Mal einen leichten Überhang bei den Regisseurinnen. In den Filmen spielen immer noch mehr Musiker als Musikerinnen – aber hinter der Kamera ist jetzt mehr als die Hälfte weiblich.

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