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Erderhitzung sortiert Männchen ausNur weibliche Klima-Turtles

In Florida schlüpfen fast ausschließlich weibliche Meeresschildkröten. Die Brutstätten sind zu warm. Muss der Mensch helfen?

Ohne männliche Nachkommen zum Aussterben verdammt: Meeresschildkröte Foto: dpa

Berlin taz | Bette Zirkelbach findet es „alarmierend“. Sie leitet die Tierschutzorganisation Turtle Hospital in Marathon im US-Bundesstaat Florida. Was ihr Sorge macht: Zuletzt schlüpften unverhältnismäßig viele weibliche Meeresschildkrötenbabys. Zirkelbach führt das auf die Erderhitzung zurück.

Meeresschildkröten gehören zu den Arten, deren Geschlecht durch die Temperatur in der Brutstätte bestimmt wird. Nach Angaben der US-Ozeanografiebehörde NOAA, bringt nur eine Nesttemperatur von unter 27,2 Grad Celsius männliche Jungtiere hervor. Bei Temperaturen über 31 Grad Celsius schlüpfen ausschließlich weibliche.

Bereits 2018 hatte die Fachzeitschrift Current Biology eine Studie US-amerikanischer und australischer For­sche­r:in­nen veröffentlicht, die auf die klimawandelbedingte Feminisierung der grünen Meeresschildkröte aufmerksam macht.

Durch die jüngsten Hitzewellen heizt sich der Sand in Florida noch stärker auf. „Es gibt immer noch einen gewissen Anteil an Männchen. Aber statistisch gesehen, wenn es so weitergeht und die Tiere nicht selbst durch flexibles Verhalten darauf reagieren, wird die Schildkrötenpopulation sinken“, erklärt der Zoologe Jakob Hallermann. Er ist Kurator am Zoologischen Museum Hamburg und weiß, dass die Natur evolutionsbedingt auf derartige Entwicklungen reagiere. Bei Geckos etwa, deren Geschlechtsausformung ebenfalls temperaturabhängig ist, konnte beobachtet werden, dass die Tiere ihre Eier tiefer und an verschiedenen Stellen vergraben, erklärt Hallermann. In den unteren Schichten ist es wieder etwas kühler.

Erderhitzung schneller als Evolution

„Aber oft ist es ja leider so, dass die menschengemachten Ursachen wie das Klima zu schnell sind für die Evolution“, sagt Hallermann. „Das heißt, dass die Natur gar nicht so schnell reagieren kann, wie sie eigentlich müsste.“ Im schlimmsten Fall könne das mit zum Aussterben einer Art führen. Das habe wiederum Auswirkungen auf das gesamte Ökosystem.

Möglich wären menschliche Eingriffe, wie die Eier auszugraben und künstlich auszubrüten. In den USA finde das noch nicht statt, sagt Zirkelbach. Sie hofft: „Es ist wahrscheinlicher, dass die Schildkröten Richtung Norden ziehen, wo es etwas kühler ist als hier in Florida.“

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5 Kommentare

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  • Im Grunde handelt es sich dabei um einen vernünftigen Mechanismus zur Arterhaltung bei Krisen, weil vor dem Klimawandel solche Hitzesommer bestensfalls alle paar Jahre einmal auftraten, und die Ausnahme von der Regel waren.

    Das sorgte einfach dafür, dass sich ein Männchen deutlich mehr vermehren konnte, weil mehr Frauen pro Männchen in der Relation. Das macht Sinn.

    So aber sorgt es für einen massiven Rückgang der Population.

    Und - das darf man auch nicht vergessen - sollte es Weibchen mit einer Genmutation geben, die trotz Hitze eben weiter Männchen legen, wohl eine Durchsetzung dieser Mutation. Auch das kann passieren.

  • Im Notfall könnte ein menschlicher Eingriff geboten sein, angenommen, die Art wäre kurz vor dem Aussterben. Ist das nicht der Fall, könnte ein Eingriff aber auch der Entwicklung entgegenwirken, dass die Natur das Problem durch natürliche Selektion selbst löst, etwa indem Genvarianten sich durchsetzen, die trotz höherer Temperaturen zum Ausbrüten von Männchen führen. Ein solcher Effekt könnte durch künstliche Nachzuchten unter Idealbedingungen geradezu torpediert werden.

  • 4G
    44733 (Profil gelöscht)

    Bei Fischen und Schildkröten gilt es als bedenklich wenn Wasserverschmutzung mit Hormonen oder zu hohe Temperatur das Geschlecht verändern.

  • "erderwärmung sortiert männchen aus" hihihi.

    • @Usch Bert:

      Leider nicht beim Menschen, denn dann würde das ja eventuell bei den Politikern mal zu einem schnellerem Umdenken führen...aber so.